Haushaltsrede v. Michael Moos, Fraktion Unabhängige Listen (Auszüge)

Amtsblatt 456, 25. Mai 2007

Der wachsenden öffentlichen Armut, steht spiegelbildlich ein zunehmender privater Reichtum, im Bund wie in Freiburg, gegenüber. Die politisch Verantwortlichen werden daran gemessen werden, ob und wie sie sich diesem offenkundigen Gerechtigkeitsproblem stellen. Beantworten sie es wie Schwarz/Grün mit einer rigiden Sparpolitik auf Kosten der wirtschaftlich Schwächeren oder mit einer Finanz- und Steuerpolitik, welche die wirtschaftlich Starken in die Pflicht nimmt. Das private Geld-vermögen hat sich in den letzten 10 Jahren nahezu verdoppelt. Die reichsten 10% der Haushalte verfügen inzwischen über mehr als die Hälfte des gesamten Geld-vermögens.

Unter der öffentlichen Armut leiden vor allem die wirtschaftlich Schwachen. Es sind in Freiburg nicht nur die rund 20.000 Menschen, die von Hartz IV oder Sozialhilfe leben. Es sind auch die BezieherInnen von Grundsicherung und Geringverdiener, die trotz Arbeit arm sind und bleiben. Sie sind es, die in besonderer Weise auf einen bezahlbaren und gut funktionierenden öffentlichen Nahverkehr angewiesen sind, auf ein gutes öffentliches Kinderversorgungs- und Schulsystem, auf öffentliche Bäder, gut funktionierende Sozialeinrichtungen, für jedermann bezahlbare Kulturangebote. Öffentliche Armut und rigide Sparpolitik, Abbau kommunaler Infrastrukturen, Stellenstreichungen in Jugendeinrichtungen und wegfallende Zuschüsse im Jugendsport, Verteuerung der städtischen Büchereien und Museen, der Kulturangebote gehen immer vorrangig zu Lasten der wirtschaftlich Schwächeren.

Wir sind uns natürlich des Umstands bewusst, dass wir mit kommunalpolitischen Mitteln diesem Trend zur immer stärkeren Konzentration des Geldvermögens in den Händen weniger auf Kosten des großen Rests der Gesellschaft nicht wirklich entgegentreten können. Gleichwohl, einiges können wir machen. Wir könnten z. B. das machen, was nach einem Bericht des Bundes der Steuerzahler, über die Hälfte der Gemeinden im Großraum Stuttgart seit 2001 gemacht haben, nämlich die Hebesätze bei der Gewerbesteuer anzuheben. Wir könnten dadurch rund 7 Millionen Euro mehr einnehmen, und gleichwohl die Grundsteuer nur um 10%, und nicht wie von der Verwaltung vorgeschlagen, um 20% erhöhen. Wir könnten mit diesen 7 Millionen Euro Mehreinnahmen die rund 1,5 Millionen, die die Gemeinderatsmehrheit bis 2010 den Einrichtungen in der Kultur, im Sozialbereich, im Sport und bei der Jugend wegnehmen will, gegen finanzieren und weitere wichtige Infrastrukturmaßnahmen in der Stadt wie die Kinderbetreu-ung oder den Klimaschutz weiterentwickeln. Dies wäre nicht mehr als ein kleiner Beitrag der mit gutem Gewinn arbeitenden Unternehmen in Freiburg, um ihren Anteil an der Entwicklung der Stadt zu erbringen.

Begründet wird die rigide Kürzungspolitik oft als Beitrag zur intergenerativen Gerechtigkeit, also als Versuch, Lasten für künftige Generationen zu vermeiden. Diese finanzpolitische ökonomische „Vererbungslehre“ unterschlägt schlicht die Antwort auf die Frage, was mit den öffentlichen Kreditmitteln finanziert wird. Werden damit Zukunftsinvestitionen zur Stärkung etwa der ökologischen Nachhaltigkeit verwirklicht, dann profitieren davon auch künftige Generationen. Und zukünftige Generationen werden auch davon profitieren, wenn wir heute in einen soliden öffentlichen Wohnungsbau investieren oder unsere Sportanlagen und Kultureinrichtungen verteidigen und ausbauen.

Unsere Anträge zu Grund- und Gewerbesteuer zeigen, dass wir uns nicht einfach auf Bundes- und Landeszuweisungen verlassen wollen. Wir wollen eine nachhaltige Konsolidierung der städtischen Finanzen. Eine Rückführung des Schuldenstandes kann unserer Meinung nach dann erfolgen, wenn die kommunale Infrastruktur gewahrt und ausgebaut wird, wenn wichtige Investitionsprojekte angegangen und hierfür jetzt in guten Zeiten eine entsprechende Rücklage gebildet wird. Steuer-mehreinnahmen in den nächsten 2 Jahren im Bereich von mehreren Millionen müssen genutzt werden, um diese Rücklagen aufzubauen. Neben den Sanierungsmaßnahmen an Schulen, den Straßen- und Brücken, geht es um den verstärkten Ausbau des Radwegenetzes, Sanierung und Ausbau unserer Bäder, einer stufenweisen Umsetzung der Museumskonzeption, einer Perspektive für das E-Werk über 2008 hinaus, dem Bau des Chummy und vielen weiteren über Jahre liegen gebliebenen Investitionen.

Wenn wir selber notwendige Strukturmaßnahmen als „Wohltaten“ oder „Steuerge-schenke“ denunzieren, wie dies laufend auch hier im Haus gemacht wird, dann müssen wir uns über Abstriche bei den kommunalen Steueranteilen nicht wundern. Und da können wir mit einer Entscheidung in Berlin, z.B. jetzt im Rahmen der Unternehmenssteuerreform, mehr verlieren als wir in Jahren mit allen Anstrengungen z.B. im Rahmen der Verwaltungsreform, einsparen können.

Kein Schuldenabbau auf Kosten der Stadt, der heute lebenden Generation und zukünftiger Generationen. CDU, Grüne und Freie Wähler sagen, ihre Vision sei eine „schuldenfreie Stadt“. Wir sagen, wann wenn nicht jetzt die überfälligen Zukunfts-debatten führen, die Stadt weiterentwickeln, mit der Vision einer – ich zitiere die vom Gemeinderat am 01.08.2006 unterzeichneten „Aalborg Commitments“, „inte-grativen, prosperierenden, kreativen und zukunftsbeständigen Stadt, die allen Einwohnerinnen und Einwohnern hohe Lebensqualität bietet und ihnen die Möglichkeit verschafft, aktiv an allen Aspekten urbanen Lebens teilzunehmen“. Dieser gemeinsamen Vision der Europäischen Kampagne Zukunftsbeständiger Städte und Gemeinden haben wir uns verpflichtet. An ihrer schrittweisen Realisierung müssen wir uns messen lassen.