12. November 2006. Alle 94 Stimmbezirke waren ausgezählt. Der Wahlleiter verkündete: Die notwendige Mindeststimmenzahl von 37.078 Stimmen wurde erreicht. 41.581 Stimmen für Ja, 17.418 für Nein. Wir lagen uns in den Armen, die meisten jedenfalls. Einige andere hatten lange Gesichter, sehr lange Gesichter, und verkündeten anschließend, die Bürger hätten eben ihre Stadt gegen die Wand gefahren. War dieses Abstimmungsergebnis für den Verbleib der Stadtbau in städtischer Hand für die schwarz/grünen Stadtoberen ein Schicksalsschlag, der für diese nur mit mangelnder Kenntnis der Abstimmenden über hoffnungslose Haushaltslage der Stadt zu erklären war, so wussten die Bürgerinnen und Bürger, dass ein wichtiger Erfolg errungen war. Kaum 4 Wochen später wandelte sich der Ton der offiziellen Verlautbarungen, es begann die Zeit der Wunder. Die Einnahmen sprudelten und widerlegten alle Katastrophenszenarien von schwarz/grün. Der Doppelhaushalt 07/08 wurde verabschiedet und genehmigt.
Rund 8.000 Mieterinnen und Mieter überweisen ihre Miete seitdem weiter an die Stadtbau. Ihnen blieb erspart, was viele Mieter nach einer Privatisierung erlebt haben. Dass sich niemand mehr um die Wohnungen kümmert, kein Ansprechpartner da ist, die Mieten gleichwohl erhöht werden und zudem die Angst vor Umwandlung in teure, für die Altmieter nicht mehr bezahlbare Eigentumswohnungen wächst.
Die ehemaligen Stadtbau Wohnungen Auggener Weg 26, verkauft vor dem Bürgerentscheid an die GAGFAH, sind in einem katastrophalen Zustand, die Mieten wurden um 20% erhöht, die GAGFAH lässt sich nicht blicken, auch nicht auf Mieterversammlungen. Eine ähnliche Situation in der Krozinger Str. 1525, wo die Wohnungen der Dt. Annington gehören.
Nicht erspart blieb den Mieterinnen und Mietern dagegen, für bezahlbare Mieten gegen Die Stadtbau verstärkt zusammen stehen zu müssen. Neue Mieterinis entstanden, tatkräftig von WiM Wohnen ist Menschenrecht, unterstützt. Noch immer vermeldete die BZ am 18.12.2008 wohnt man in Freiburg aber nirgendwo günstiger als in städtischen Wohnungen. Die Durchschnittsmiete bei der Stadtbau beträgt 4,97 € pro Quadratmeter, die Durchschnittsmiete im Freiburger Mietspiegel ist 6,91 €. Ein beträchtlicher Unterschied für rund 20.000 Menschen in dieser Stadt. Er lohnt sich, der Kampf für bezahlbare städtische Wohnungen.
DER AUSVERKAUF STÄDTISCHER WOHNUNGEN IST NICHT VOM TISCH
Und was ist am 13.11.2009? Der Bürgerentscheid hat den Verkauf städtischer Wohnungen für 3 Jahre gestoppt, und die laufen am 12.11.09 aus. Wir glauben nicht, dass die Apologeten von Privatisierungen und Befürworter des Verkaufs die neuen Verkaufspläne schon in der Schublade haben. Aber wir können 2 und 2 zusammen zählen!
Das eine ist die wirtschaftliche Entwicklung: Ohne Schreckensszenarien zu malen, wir glauben keinen offiziellen Prognosen der Stadt, die jetzt in die andere Richtung gehen. Die Stadt sei diesmal gut gerüstet, so der OB. Was aber ist los nach der Gemeinderatswahl, wenn die tatsächlichen Steuereinnahmen weit hinter den Prognosen zurück bleiben, auf die sich der neue Doppelhaushalt stützt. Wo wird diese Verwaltung nach aller Erfahrung mit ihr den Rotstift ansetzen und das fehlende Geld holen wollen ?
Und das zweite: Eben dieser Masterplan, beschlossen von einer satten Gemeinderatsmehrheit um schwarz/grün, sieht bei sinkenden Einnahmen zwingend den Verkauf städtischen Vermögens vor, um mindestens 15 Mio. € pro Jahr der aufgenommenen Kommunalkredite zurück zu zahlen und weitere 15 Mio. € für Sanierungsmaßnahmen ausgeben zu können vorrangig für Straßen, dann für Schulen also 30 Mio. € für diese beiden Posten pro Jahr bis 2015, unabhängig von der Entwicklung der Einnahmeseite. Eine für uns völlig inakzeptable Knebelung des künftigen Gemeinderats, die zeigt, dass die alten Begehrlichkeiten nicht aufgegeben sind. Will man nämlich an der profitablen Beteiligung bei badenova festhalten, dann bleibt nur der Verkauf von Wohnungen, diesmal dann vielleicht häppchenweise. Mit uns nicht, und falls erforderlich, werden wir nochmals einen Bürgerentscheid unterstützen.
ÖKO – LORBEEREN UND GREEN CITY
„Wir werden überrannt“, erklärte OB Salomon am 20.2.08 in der BZ, und meinte damit das Plus von 14% bei den Touristen und das wachsende internationale Interesse an Solarenerige, Mülltrennung und Vauban. Green City wurde als neuer Slogan kreiert. Damit sind aber nicht die Polizeiwannen gemeint, die Samstag Nacht am Martinstor stehen und Freiburgs neue Polizeiverordnung durchsetzen sollen, wonach Alkoholkonsum nur in geschlossenen Räumen zulässig ist, wo abkassiert wird. Gemeint ist die Vermarktung von jahrzehntelangen ÖkoKämpfen, die in Wyhl begannen und noch lange nicht beendet sind. „Freiburg ruht sich auf seinen ÖkoLorbeeren aus“, das war die Quintessenz einer Veranstaltung am 3.3.08 in der Universität. Intersolar in San Fancisco, Freiburg für 400.000 € auf der Expo Shanghai und Salomon von Bill Clinton eingeladen – all das ändert nichts daran, dass Freiburg das 1996 vom Gemeinderat beschlossene Ziel einer Einsparung von 20% Kohlendioxid bis 2010 bei weitem verfehlen wird. Es werden gut gerechnet 5 6 % sein und die jüngsten Beschlüsse der Gemeinderatsmehrheit reichen bei weitem nicht aus, um das neue Ziel, 40% Einsparung von CO2 bis 2030, auch nur für annähernd realistisch zu halten.
DIE GANZE STADT IM BLICKFELD
Eine ökologische Stadtentwicklung ist für uns von zentraler Bedeutung, reicht aber bei weitem nicht für eine lebenswerte Stadt. Wir sehen die ganze Stadt in ihrer Entwicklung. Die soziale Frage verschärft sich und die Stadtbevölkerung droht weiter auseinander zu driften. Die Einführung des FreiburgPasses zum 1.1.08 ist Ergebnis jahrelanger Bemühungen des Runden Tisches Harz IV, ein Erfolg sicherlich gegen anhaltenden Widerstand, aber bei weitem nicht ausreichend. Eine ordentliche Wohnung, der Ein tritt ins Städtische Bad, die Fahrt mit der Straßenbahn, das Kind in der Kita, der Besuch im Theater und im Museum Freiburg könnte fürwahr stolz sein, wenn all das für keinen Mann und keine Frau in der Stadt am Geld scheitern müsste.
Millionen für Schulsanierungen sind notwendig, aber die Stadt vernachlässigt sträflich den Humanfaktor. Weiterhin wird an Menschen gespart, Ganztagesschulen gebaut, aber die Eltern und Lehrer alleine gelassen mit der neuen Situation. Für die Gemeinderatsmehrheit ist jede Million, die an die Bauwirtschaft geht, gut aus gegeben, aber jeder €, den ein Sozialarbeiter mehr kostet, verlorenes Geld. Dieselbe Denkweise bestimmt auch die Konjunkturprogramme aus Berlin. Wir sehen das anders: Gute und sichere Arbeitsplätze sind in jeder Hinsicht das entscheidende Kapital unserer Gesellschaft, ohne die nichts geht und schon gar nichts vorwärts geht. Der rigiden Personaleinspardoktrin des OB, weitere 3 Mio.€ dieses und nächstes Jahr im Personalhaushalt zu kürzen, frei werdende Stellen einfach nicht zu besetzen, werden wir uns deshalb gemeinsam mit der Gewerkschaft und dem Personalrat widersetzen.
DIE STADT DEN BÜRGERINNEN UND BÜRGERN ZURÜCK GEBEN
Wir überlegen weiter, wo wir Politik transparenter machen können, den Beteiligungshaushalt vom Kopf auf die Füße, nämlich in die Stadtteile bringen können, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf vor allem für alleinerziehende Frauen verbessern und Kinder aus armen Familien unterstützen können, sowie die Stadt, die zunehmend zum Spielball von Projektent wicklern und Bauinvestoren wird, ihren Bürgerinnen und Bürgern und ihrem Gemeinderat zurück geben können.
Bald 5 Jahre Arbeit gemeinsam mit den KollegInnen von den Unabhängigen Frauen und der Kulturliste liegen hinter uns. 5 Jahre, in denen die Fraktionsgemeinschaft der Unabhängigen Listen (UL) sich zu einer respektablen Opposition gegen schwarz/grün im Freiburger Gemeinderat entwickelt hat. Wer meint, dass 3 GemeinderätInnen der LINKEN LISTE/Solidarische Stadt entscheidend zu wenig sind, der sollte uns seine Stimmen am 7.6. geben, damit wir gestärkt durch neue Kräfte und hoffentlich wieder gemeinsam mit den KollegInnen der anderen Listen unsere Arbeit fortsetzen können.
Michael Moos, Stadtrat der LINKEN LISTE/Solidarische Stadt