Ex-OB-Kandidat Michael Moos über die Stadt in der Krise (Zeitung am Samstag)

„Falsch gespart kommt richtig teuer“

Banken und Börsen stehen am Pranger, der Kapitalismus will gezähmt werden. Eine Stimmung macht sich in der Republik breit, die Wasser auf die Mühlen der Linken ist. Michael Moos ist deren wohl bekannteste Stimme in der Stadt. Stephan Günther sprach mit dem Rechtsanwalt und Gemeinderat der Linken Liste im Rahmen der ZaS-Reihe zur Gemeinderatswahl am 7. Juni.

Zeitung am Samstag: Müssen Sie als Kritiker des Masterplans zur Haushaltskonsolidierung jetzt, in Krisenzeiten mit knappen Kassen, den Sparplan nachträglich gutheißen?

Michael Moos: Keineswegs. Gerade die aktuelle Situation zeigt, dass ein Plan, der den Gemeinderat 15 Jahre lang binden will, viel zu unbeweglich ist. Mit einem jährlichen Haushaltsüberschuss von 60 Millionen Euro war es ein leichtes, 15 Millionen und mehr Kredite pro Jahr abzulösen. Aber wenn die Mehreinnahmen 2009 und 2010 ausbleiben, ich rechne eher mit Mindereinnahmen gegenüber dem Haushaltsplan, verpflichtet der Plan den Gemeinderat, städtisches Vermögen zu verkaufen, um die Kredite weiter bis auf Null zu fahren. Ob ein Verkauf städtischer Wohnungen oder von Badenova-Anteilen - da werden wir genauso gegen ankämpfen wie 2006 gegen den Verkauf der Stadtbau.

ZaS: Die so genannte Verschlankung, also die Einsparungen vor allem beim Personal, hat die Verwaltungskosten stark reduziert. Erst dadurch, so argumentiert die Stadt, wird sie wieder handlungsfähig und flexibel.

Moos: Die Linke Liste lehnt es ab, beim Personal immer sparen, bei den Sozialleistungen, in der Kultur und beim Sport immer weiter zu streichen. Sicher muss gespart werden, aber doch nicht mit dem Rasenmäher, wie es der OB jetzt wieder beim Personal durchsetzen will.

ZaS: Wie kann die Stadt ihr Sparziel erreichen, ohne Rotstift?

Moos: Nicht ohne. Wir arbeiten in der Verwaltungsreform mit und sind dabei, wenn sinnvoll gespart wird. Andererseits sagen wir, falsch gespart kommt richtig teuer. Vor zwei Jahren wollte Schwarz-Grün aus Spargründen das Adelhauser Museum schließen und auf dem Mundenhof neu errichten. Ein totaler Flop. Oder: Freiburg war drauf und dran, durch nicht endende Spardebatten und -beschlüsse das Stadttheater wie die freie Szene nachhaltig zu beschädigen. Dagegen haben wir uns immer gewandt.

ZaS: Dafür sind Sie bekannt. Weniger aber für Sparvorschläge.

Moos: Wir haben sie aber immer wieder eingebracht. Das Prestigeobjekt Konzerthaus wurde gegen unseren Widerstand gebaut, ebenso die Neue Messe und ihre teure Erweiterung unter Salomon, alles Millionengräber. Wir waren jetzt gegen die riskante Vorfinanzierung der Planung des Stadttunnels mit zwei Millionen und den Auftritt der Stadt auf der Weltausstellung in Shanghai für 500000 Euro. Wenn wir mehr fordern oder Streichungen ablehnen, machen wir auch Deckungsvorschläge. Unsere Haushaltsvorschläge waren immer ausgeglichen oder im Plus.

ZaS: Der zweite Teil des Masterplans sieht den Ausbau der Stadtbahn und die Sanierung der Schulen vor. Investitionen, die gut angelegt sind...

Moos: …der Ausbau der Stadtbahn eben leider nicht. Der Masterplan von Schwarz-Grün ist innovationsfeindlich, er will Mehreinnahmen nur für die Sanierung im Bestand ausgeben. Die ist zwar wichtig, und da können wir froh sein, dass die von Grünen, CDU und Freien Wählern 2007 schon beschlossene Sanierung der Schulen im Public-Private-Partnership-Verfahren, also der Verkauf und die anschließende Anmietung der Schulen, gescheitert ist. Jetzt macht es die Stadt selber, und das ist gut so. Gleichzeitig achten wir darauf, dass Kindergärten, Spielplätze, Jugendzentren, Altenbegegnungsstätten oder Stadtteiltreffs nicht zu kurz kommen.

ZaS: Sie fordern eine soziale Stadt. Was konkret muss sich ändern?

Moos: Die Schere zwischen arm und reich wird mit der Krise noch größer, die Zahl der prekären Beschäftigungsverhältnisse nimmt ebenso zu wie die der Hartz IV-Empfänger. Neben Sofortmaßnahmen wie einen verbesserten FreiburgPass, ein Sozialticket und ein ergänzendes kommunales Wohngeld fordert die Linke Liste ein kommunales Programm zur Armutsbekämpfung. Freiburg muss bezahlbar sein, für alle.

ZaS: Also ein sozialer Masterplan?

Moos: Den Begriff haben wir bewusst vermieden, auch wenn er sich anbietet. Ein Grundproblem ist dabei sicher die strukturelle Unterfinanzierung der kommunalen Haushalte, die durch die Steuerpolitik zu Gunsten der Reichen noch verschärft wurde. Die Folgen sind Investitionsstaus und die Vernachlässigung kommunaler Aufgaben. Eine wirkliche Gemeindesteuerreform steht noch aus.

ZaS: Kurzfristig könnte Geld über das Konjunkturprogramm des Bundes kommen. Hilft das?

Moos: Es kann helfen, überfällige Aufgaben zu erledigen: die lange für die Gewerbeschüler versprochene Sporthalle zu bauen und Kindergärten zu sanieren, das Radwegenetz weiter auszubauen und das E-Werk zu sanieren. Diese einmaligen Investitionen ändern aber nichts an dem grundlegenden Problem.

ZaS: Mit der Krise wird der Staat wieder stärker, der Turbokapitalismus steht in der Kritik. Das dürfte Ihnen gefallen.

Moos: Tut es. Und nicht nur der Turbo-, sondern der Kapitalismus überhaupt. Und die unter anderem vom Stadttheater angestoßenen Diskussionen darüber finde ich wichtig, welche Alternativen zum Kapitalismus vorstellbar sind.

ZaS: Mit wie vielen Gemeinderäten wollen Sie künftig daran arbeiten?

Moos: Wir streben zehn Prozent plus an. Und damit eine Linke Liste, die einen stärkeren Einfluss im Gemeinderat und seinen Ausschüssen hat.

ZaS: Und Sie wollen es dann bei der OB-Wahl 2010 nochmal wissen?

Moos: Ich persönlich nicht, aber wir werden einen Kandidaten aufstellen. Besser noch eine Kandidatin. Es ist an der Zeit, dass Freiburg eine linke Oberbürgermeisterin bekommt.

Quelle: Zeitung am Samstag, 20.2.2009