Keine Zukunft für arme Kinder ?

Arme Kinder haben keine Zukunftsperspektive, arme Alte leben in Not. Reiche werden immer reicher. Armut raubt uns die Zukunft.

Sich mit „Armut“ zu befassen, gilt als uncool. Es wird einfach ignoriert, dass sie stetig und be­drohlich wächst. Den Sozialstaat, so wie ihn das Grundgesetz fordert, gibt es nicht mehr. Soziale Gerechtigkeit ist unerwünscht. Die Wohlfahrts­ verbände unseres Landes warnten bereits 2003 eindringlich vor neuer Armut durch Hartz IV und fast niemanden interessierte das. SPD und Grüne hatten und haben sich vielmehr für eine knallharte Verarmungspolitik entschieden und damit ganz bewusst große Teile der Bevölkerung von der Teil­ nahme am sozialen und kulturellen Leben ausge­schlossen.

Nichts hat in den letzten Jahren die Armut verrin­gert, weder der sogenannte Aufschwung, noch die sinkenden Arbeitslosenzahlen. Drastisch aus­ geweitet haben sich dagegen der Niedriglohn­ bereich und die Leiharbeit. Immer mehr Menschen, insgesamt über sieben Millionen, leben von Hartz IV­ Leistungen. Unser Sozialsystem wird so von den Arbeitgebern in unerhörtem Ausmaß missbraucht, denn Niedriglöhne verhärten die Armut: Weil viele Familien von den Dumping­Löhnen von fünf Euro pro Stunde und weniger nicht leben können, brauchen sie zusätzliche Sozialhilfe.

In keinem Land der EU leben im Verhältnis zur Gesamtzahl der unter 15­Jährigen mehr Kinder in Armut als in Deutschland. 2,6 Millionen Kinder sind abhängig von Hartz IV ­ in Städten wie Bremerhaven oder Halle trifft das auf fast jedes zweite Kind zu. Staat und Gesellschaft ignorieren das.

Arme Kinder sind häufiger krank und auch öfter in ihrer Entwicklung behindert als Kinder aus
besseren Verhältnissen, sie werden ärztlich selte­ner und weniger gut betreut, sie erfahren weniger Anregung und Förderungen ihrer sprachlichen und kognitiven Entwicklung, Schulversagen ist vorprogrammiert. Hartz IV gibt ihnen keinen Euro­ cent für Bildung, das Geld reicht nicht für Schul­hefte und Stifte und nicht einmal für Kleidung und Nahrung.

Die Hartz IV­Gesetzgeber senkten den Nahrungs­-Regelsatz für Kinder auf den für Säuglinge; dies
lässt sich nur mit Ignoranz oder mit ausgespro­chener Böswilligkeit erklären. Kinder (unter 15
Jahren) können eben nicht für 2,31 Euro täglich richtig ernährt werden (je 92 Eurocent für Mittag­- und Abendessen, 47 Eurocent für Frühstück, dazu kommen noch 29 Eurocent für Süßigkeiten, Eis usw.). Zudem gibt es meist kein kostenloses Mit­tagessen in den Ganztagsschulen: Manche SchülerInnen essen so den ganzen Tag lang nichts.

Diese Kinder sind wirklich benachteiligt ­ und sollen es nach dem festen Willen neoliberaler
Politiker der ganz großen CDU-­SPD­-Grüne­-FDP­ Koalition auch ihr Leben lang bleiben. Offenbar
weil einige Eltern Geld anstatt für ihre Kinder, in Alkohol und Zigaretten umsetzen, sollen die 90% „ordentlichen“ Eltern, die ihre Kinder umsorgen, ohne Geld bleiben. Können wir das soziale Ge­wissen dieser Politiker aufwecken?

Es fehlt die Hilfe für Alte und Kranke, die oft in nicht akzeptablen Verhältnissen leben müssen.
Es fehlt die Hilfe für Erwachsene und Kinder, die mit ihrem Alltag nicht zurecht kommen. Es fehlt die Hilfe für Migranten und Obdachlose ­ kosten­ günstige Wohnungen werden immer seltener. Spenden und bürgerschaftliches Engagement können den Sozialstaat nicht ersetzen.

Den Regelsatz hat der Gesetzgeber 2003 als bundes weite Pauschale festgelegt; wer arm ist,
soll sich selbst um die (finanzielle) Gestaltung seines Alltags kümmern, obwohl bekannt ist, wie
sehr sich Lebenshaltungskosten zwischen Stadt und Land, zwischen Cottbus und München unter­scheiden und obwohl allen Verantwortlichen klar war, dass die Pauschale um mindestens 25 % zu niedrig angesetzt ist. Was bedeuten heute dann steigenden Lebensmittel­ und Energiekosten, wie soll dann ein kaputter Kühlschrank ersetzt wer­den? Vom Ausgleich der Inflationsrate ganz zu schweigen.

Hartz IV ist ein unverschämter, verantwortungs­loser Angriff auf die soziale Gerechtigkeit, Hartz IV gefährdet den sozialen Frieden in unserem Land, in unserer Stadt, schafft eine Schicht der Ausge­schlossenen und destabilisiert unsere demokra­tische Ordnung.

Lothar Schuchmann