UL- Fraktion: Anfrage zur Lage der städtischen Finanzen

Herrn Oberbürgermeister
Dr. Dieter Salomon
Rathausplatz 2-4
79098 Freiburg

Anfrage nach § 24 Abs. IVGemO

Hier: Finanzen der Stadt Freiburg

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

wir bitten um Beantwortung nachfolgender Anfrage in der Gemeinderatssitzung am 23.03.2010. Sollte dies im Hinblick auf den Umfang der Anfrage nur in Teilen möglich sein bitten wir um schriftliche Beantwortung bis zum 10.04.2010.

Sie haben mehrfach erklärt, die Stadt Freiburg sei in Sachen Finanzen „gut aufgestellt“. Dies erweckt den Eindruck, als ob Freiburg die Auswirkungen der Wirtschaftskrise gut meistern werde.
Die kommunalen Spitzenverbände haben am 2. Februar 2010 eine Prognose für die kommunalen Einnahmen und Ausgaben 2008 bis 2010 veröffentlicht. Danach sind die Einnahmen aus Steuern 2009 um runde 7 Mrd. € oder 10,2 % zurückgegangen. Für 2010 wird ein weiterer Rückgang um über 3 Mrd. oder weitere 5 % erwartet. Gleichzeitig werden die Ausgaben um 5 % in 2009 und noch mal 3 % in 2010 steigen.
Ihr letzter Finanzbericht v. 27.11.2009 über die Haushaltsentwicklung 2009 stellt für 2009 eine Verschlechterung im Gesamthaushalt 2009 gegenüber den Haushaltsansätzen von 21,5 Mio. € fest, die nur durch einen nahezu vollständigen Verzehr der freien Rücklagen von 23 Mio. € aufgefangen werden kann. Für 2010 wird die zu erwartende Belastung des Haushaltes mit 37,6 Mio. € angegeben.
Inzwischen ist das Jahr 2009 abgeschlossen. Auch hat das Land Baden-Württemberg den Doppelhaushalt 2010/2011 mit einer Rekordneuverschuldung von 2,646 Mrd. € beschlossen.
Die Öffentlichkeit hat insbesondere im Hinblick auf die Wahl eines Oberbürgermeisters am 25.04.2010 einen Anspruch darauf, aktuell über die zu Finanzsituation der Stadt informiert zu werden.
Sämtliche vorliegenden Zahlen sind daraufhin auszuwerten, ohne – wie dies immer geschieht – lapidar auf die Steuerschätzung im Mai 2010 zu verweisen. Der Einbruch in den Gemeindefinanzen wird, ähnlich wie dies 2002 angesichts der von der damaligen SPD/Grünen Regierung beschlossenen Änderung der Körperschaftssteuer zugunsten der Unternehmergewinne geschah, durch das zum 01.01.2010 von der jetzigen CDU/FDP Mehrheitskoalition beschlossene Wachstumsbeschleunigungsgesetz verschärft werden. Dieses Gesetz sieht Steuererleichterungen im Volumen von 8,5 Mrd. € vor. Bereits ab 2011 plant die Bundesregierung weitere Steuerrechtsänderungen im Volumen von 20 Mrd. €. Beide Vorhaben bringen für die Kommunen erhebliche Belastungen. Auf der Ausgabenseite müssen die Kommunen zusätzliche Belastungen durch eine erneute Reduzierung des Bundesanteils an den Kosten der Unterkunft für ALG II Beziehende auf 23,6% in 2010 hinnehmen.
In der Folge werden die Kommunen die auf Grund der Wirtschaftskrise steigenden Mehrkosten bei der Unterkunft von ALG II Beziehenden von 1,8 mrd. € alleine tragen müssen. Verschärfend wirkt zudem die Unterfinanzierung des Ausbaus der Kitas für unter 3 jährige.

Wir fragen Sie:

1. Wie sehen zwischenzeitlich die Eckdaten für Freiburg für das Jahr 2009 aus. Gilt die von Ihnen im Finanzbericht v. 27.11.2009 genannte Zahl von 21,5 Mio. € Verschlechterung gegenüber den Haushaltsansätzen weiterhin ?

2. Wie beurteilen Sie die Entwicklung in 2010 und in den nächsten 5 Jahren?

3. Mit welchen Mindereinnahmen rechnet die Verwaltung in Folge der noch von der Großen Koalition in 2009 beschlossenen Steuerrechtsänderungen (Konjunkturpaket I, II und „Bürgerentlastungsgesetz“ ?

4. Mit welchen Mindereinnahmen rechnet die Verwaltung aufgrund des am 01.01.2010 in Kraft getretenen „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“, differenziert nach Einkommenssteueranteilen, Umsatzsteueranteilen und Gewerbesteuer ?

5. Mit welchen Auswirkungen auf die Steuereinnahmen rechnet die Verwaltung, wenn die im Koalitionsvertrag von CDU und FDP versprochenen weiteren Steuererleichterungen im Volumen von 20 Mrd. € umgesetzt werden ?

6. Welche absehbaren Auswirkungen werden die steuerlichen Mindereinnahmen auf die Zuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich für Freiburg haben ?

7. Wie beurteilt die Verwaltung die Pläne der FDP-Fraktion im Bundestag, die Gewerbesteuer durch Umsatzsteueranteile und einen kommunalen Zuschlag auf die Einkommens- und Körperschaftssteuer zu ersetzen und ein örtliches Hebesatzrecht auf die Einkommenssteuer und die Körperschaftssteuer einzuführen ? Halten Sie angesichts dieser Forderungen der FDP und deren Auswirkungen auf die Kommunen an Ihrer Aussage fest, Sie seien ein „Liberaler“ ?

8. Mit welchen Mehrkosten rechnet die Verwaltung im Jahr 2010 für Kosten der Unterkunft von ALG II Beziehern ? In welchem Umfang ist dies auf die Entwicklung am örtlichen Arbeitsmarkt zurückzuführen, u.a. durch die Zunahme von prekären Arbeitsverhältnissen, in welchem Umfang auf die oben dargestellte Reduzierung des Bundesanteils für diese Ausgaben ?

9. Mit welchen zusätzlichen finanziellen Belastungen rechnet die Verwaltung für den Kita-Ausbau für unter Dreijährige bis 2013 ? Wie hoch wird der Bedarf sein, wenn ab 2013 ein Rechtsanspruch besteht ? Ist bei dieser Belastung noch die vereinbarte Drittelfinanzierung durch Bund/Länder/Gemeinden gegeben ?

10. Wie beurteilt die Verwaltung die im Koalitionsvertrag von CDU und FDP vereinbarte Gleichstellung von privaten und kommunalen Anbietern in der Abfallwirtschaft und der Abwasserbeseitigung ?

11.Welche finanziellen Auswirkungen hätte eine Aufhebung der Umsatzsteuerbefreiung kommunaler Anbieter in der Abfallwirtschaft und für Abwasser für Freiburgs Haushalt und die Bürgerinnen und Bürger ?

(Die Anfrage entspricht in weiten Teilen, soweit es um die Auswirkungen der von der jetzigen CDU/FDP Bundesregierung beschlossenen Maßnahmen geht, einer Musteranfrage der Zeitschrift „Alternative Kommunalpolitik“ 01/2010, herausgegeben vom Bundesverband Bündnis 90/Die Grünen und Grünen Landesverbänden, für die wir uns ausdrücklich bedanken).
Mit freundlichen Grüßen

gez. Michael Moos        f.d.R. Dr. Jörg Scharpff
Fraktionsvorsitzender     Fraktionsgeschäftsführung