Wahlprüfsteine der Bürgerinitiative "Wohnen ist Menschenrecht" für die Kommunalwahl 2009

Sehr geehrte Kandidatin, sehr geehrter Kandidat!
Durch Gesetz sind die Gemeinden zur allgemeinen Daseinsfürsorge verpflichtet. Diese im Gesetz nicht sehr konkret formulierte Aufgabe muss durch den Gemeinderat mit Leben erfüllt werden. Im „Entwurf für ein sozial nachhaltiges Mietenpolitisches Programm für Freiburg“ hat die Bürgerinitiative „Wohnen ist Menschenrecht“ 22 Thesen vorgelegt, damit „Freiburg für alle bezahlbar wird“. Ziel dieser Umfrage ist es, Ihre Meinung zu diesen Vorschlägen zu erfahren. Wir möchten Sie daher bitten, die unten angeführte Auswahl unserer Vorschläge zu kommentieren:
  1. Wohnen gehört zu den existentiellen Grundbedürfnissen des Menschen. Dieses Menschenrecht zu schützen ist eine Kernaufgabe der Gemeinden. Im Bereich des Wohnens spiegeln sich im besonderen Maße die gesellschaftlichen Besitz-, Macht- und Lebensverhältnisse wider.
Werden Sie die umgehende Erstellung eines umfassenden Armuts- und Reichtumsberichts befürworten, in dem Wohnen eine besondere Bedeutung zugemessen wird?

Die LINKE LISTE-Solidarische Stadt (LiSSt) wird die Erstellung eines Armuts- und Reichtunsberichts nicht nur befürworten, sondern hat dies in der Vergangenheit bereits mehrfach beantragt. Ein solcher Bericht wäre zudem nicht nur im Sinne einer sozialpolitisch gerechten Mietenpolitik sinnvoll, sondern z.B. auch für die Erstellung von Stadtteil-Entwicklungsplänen von großer Bedeutung.
  1. Die Stadt muss sich in ihrer Mietenpolitik an den sozialen Interessen der Menschen, insbesondere derer, die sich am „freien Markt“ nicht selbst versorgen können, orientieren. Sie muss alle Möglichkeiten nutzen, die Mieten im eigenen Wohnungsbestand niedrig zu halten und wo möglich wieder zu senken. Sie wird dabei auch ihrer Verantwortung für alle BürgerInnen, die zunehmend unter der allgemeinen Verteuerung der Lebenshaltungskosten leiden, gerecht.
Werden Sie einem zunächst 12-monatigen Mietstopp in Freiburgs städtischen Wohnungen zustimmen?

Die Fraktionsgemeinschaft der Unabhängigen Listen hat im Mai 2008 einen zunächst auf 12 Monate befristeten Mietstopp für die städtischen Wohnungen in Freiburg beantragt. Dieser Antrag wurde damals von der schwarz-grünen Allianzmehrheit abgelehnt. Faktisch wurde dieser Mietstopp allerdings weitgehend umgesetzt. Nichts destso trotz wäre weiterhin ein Beschluss für einen (zunächst auf 12 Monate befristeten) Mietstopp richtig. In dieser Zeit sollte eine paritätisch mit VertreterInnen der Mieter und Mieterinnen besetztes Gremium aus ExpertInnen und VertreterInnen des Gemeinderates neue Regeln und Verfahren zur Feststellung sozial verträglicher Mieten in Freiburg entwickeln. Aber selbst wenn sich dies nicht durchsetzen ließe, wäre ein Mietstopp für die städtischen Wohnungen aus zweierlei Gründen besonders wichtig: weil er auf einen neuen Mietspiegel dämpfend einwirken würde, also auch auf die Mieten in Wohnungen in privatem oder genossenschaftlichem Besitz. Und zweitens weil er die „Logik“, Mieten immer so hoch wie rechtlich irgendwie zulässig festzusetzen, einmal durchbrechen würde.
  1. Der Beschluss des Gemeinderates und des Aufsichtsrates der Freiburger FSB, generell und automatisch die Mieten der Wohnungen des Amts für Liegenschaften und Wohnungswesen und der FSB an die Grenzen des Mietspiegels heranzuführen, muss aufgehoben werden. Die aktuelle Praxis der Geschäftsführung der FSB, ohne nähere Prüfung der konkreten Umstände, Bedingungen und Auswirkungen tausende Mieterhöhungen flächenmäßig bis an die Grenzen des Legalen durchzusetzen ist zu beenden. Ob und inwieweit Mieterhöhungen sinnvoll, angemessen und verhältnismäßig sind, muss stets mit den betroffenen Mietparteien, den Mietervertretungen und den Mieterbeiräten erörtert werden. Für Situationen, bei denen es keine Einigung geben sollte, ist eine paritätisch besetzte Schiedskommission einzurichten.
Sind Sie bereit, dem Gemeinderat die uneingeschränkte Verantwortung über die Mieten der städtischen Wohnungen zurückzugeben und für Streitfälle eine paritätisch besetzte Schiedskommission einzurichten?

Die Festsetzung von Mieten bei den Wohnungen des städtischen Amts für Liegenschaften und Wohnungswesen (ALW) und der stadteigenen Freiburger Stadtbau GmbH (FSB) muss im Gemeinderat in öffentlicher Sitzung stattfinden. Die Mieterinnen und Mieter haben ein Recht darauf, zu wissen, wer die Mieten erhöht und wer sozial verträgliche Mieten will. Dies gehört zu den Prinzipien der Transparenz in der Politik, die zu einer echten Demokratie einfach dazugehören. Zweitens muss der Gemeinderat seinen Beschluss aufheben, die städtischen Mieten automatisch und immer bis an die Grenzen des Legalen, bis an die Grenzen des Mietspiegels hernazuführen. Mieten müssen sozialen Kriterien folgen! Die Einführung einer paritätisch besetzten Schiedskommission halten wir für eine gute Idee. Details müssten noch abgeklärt werden. In jedem Falle könnte eine derartige Schiedskommission für mehr Sicherheit und sozialen Frieden in der Mieten- und Wohnungspolitik führen. Der derzeitig gültige Mietspiegel ist hierzu nicht in der Lage.
  1. Aus den Erfahrungen mit dem aktuellen Mietspiegel erscheint es notwendig, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um bei der Erstellung künftiger Mietspiegel darauf zu achten, dass ein weiteres Drehen an der Mietpreisspirale in Freiburg unterbleibt. Heute dient der Mietspiegel vielen Vermietern, nicht zuletzt der FSB, als willkommenes Mieterhöhungsinstrument.
Befürworten Sie die Einrichtung einer gemeinsamen Kommission aus Gemeinderat und weiteren Institutionen mit Einschluss von Organisationen der Mieter und von WiM, mit dem Ziel, einvernehmlich neue Instrumente zur Regulierung des Mietenniveaus in Freiburg zu erarbeiten?

Ja (siehe oben). Wichtig ist dabei folgendes: Ein echter Mietspiegel müsste die tatsächlichen Miethöhen in einer Stadt widerspiegeln. Dieser Mietspiegel tut dies nicht, da er laut Gesetz nur die Mietfestsetzungen der letzten vier Jahre berücksichtigt. Dieses Gesetz muss dringend geändert werden. Solange es gilt, ist ein Mietspiegel immer ein MietERHÖHUNGSspiegel. Zweitens muss es die Möglichkeit geben, Mieten auch nach sozialen Kriterien festzusetzen. Die Mieten müssen sich (zumindest bei den städtischen Wohnungen) an den Einkommen der Mieterinnen und Mieter orientieren.
  1. In einer bundesweiten Studie wurde festgestellt, dass Freiburgs MieterInnen den höchsten Anteil (44%) ihres Einkommens für Mieten aufbringen müssen. Daher muss der Gemeinderat ein Ausgleichsinstrument für all die BürgerInnen schaffen, deren Grundmieten mit Nebenkosten ein Viertel ihres Nettoeinkommens übersteigen und damit deren Lebensqualität und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben erheblich beschränken. Ein städtisches Wohngeld gab es bereits in den 80er Jahren.
Wie stehen Sie zur Wiedereinführung eines städtischen Wohngeldes?

Die Wiedereinführung eines städtischen Wohngelds kann nur ein Notnagel sein in einer Situation, in der die Mieten auf einem viel zu hohen Niveau sind und die Einkommen viel zu niedrig. Grundsätzlich ist Wohngeld eine Aufgabe des Bundes und sollte es auch bleiben. In einer Notsituation, in der wie in Freiburg derzeit die Mieterinnen und Mieter durchschnittlich über 40% ihres Einkommens für die Mieten ausgeben müssen, ist jedoch die Einführung eines städtischen Wohngelds notwendig, um die größte Not zu lindern. Grundsätzlich muss aber die Begrenzung der Mieten politische Priorität haben – und natürlich das staatliche Wohngeld weiter erhöht werden (die Erhöhung zum 1.1.2009 war viel zu niedrig) und müssen vor allem die Einkommensgrenzen deutlich erhöht werden.
  1. Aufgrund der vielfachen sozialen Belastungen und Benachteiligungen ist die bislang erfolgreiche Gemeinwesen- und Quartiersarbeit weiter zu fördern und auszubauen. Ziele sind die Integration und Beteiligung aller BürgerInnen vor Ort.
Unterstützen Sie die verstärkte Förderung vorhandener und die Einrichtung weiterer Quartiersbüros in allen Freiburger Stadtteilen?

Quartierssozialarbeit ist ungeheuer wichtig und in Zeiten, in denen die Armut steigt, in denen andererseits Mobilität zunimmt und gleichzeitig Sozialstrukturen in Familie und Nachbarschaft abnehmen, Vereinzelung zunimmt, in Zeiten, in denen Bürokratie zunimmt, es immer mehr Verordnungen und Erlasse und Regeln gibt, die immer schwerer zu verstehen sind, wird Quartierssozialarbeit immer wichtiger. Bereits in der Vergangenheit hat die Linke Liste immer wieder die Erhöhung der städtischen Gelder für die Quartierssozialarbeit gefordert. Dies werden wir auch weiterhin tun. Außerdem muss immer wieder neu überprüft werden, ob es nicht neue Quartiere gibt, in denen eine Quartierssozialarbeit neu eingeführt wdrden sollte (z.B. Littenweiler).
  1. Die FSB hat gegenüber den Mieterbeiräten das Prinzip der Gläsernen Taschen herzustellen. Die Bilanzen sind offen zu legen und die Verwendung der Mieteinnahmen ist in allen Wohnungsbezirken den jeweiligen Mietern verständlich darzustellen. Die MieterInnen haben ein Recht darauf, zu erfahren, was mit ihrem Geld konkret geschieht und auf die Verwendung Einfluss zu nehmen. Bürgerbeteilung beim städtischen Haushalt muss auch eine Haushaltsoffenlegung und -beteiligung bei den städtischen Unternehmen zur Folge haben.
Sind Sie bereit, den Mietern der städtischen Wohnungen Mitbestimmung bei der Verwendung der eingenommenen Gelder einzuräumen?

Eine tatsächliche Mitbestimmung hat ihre Grenzen. Die Mitbestimmung bei den Wohnungen des ALW ist auf die Wahl des Gemeinderates beschränkt, der allerdings über die Mieten in öffentlicher Sitzung selbst entscheiden sollte. Auch über die Mieten der FSB sollte der Gemeinderat in öffentlicher Sitzung entscheiden. Schließlich wäre die Einrichtung einer Schiedsstelle in gewisser Weise eine Form von Mitbestimmung. Die LiSSt wird sich für größere Transparenz einsetzen: Es muss z.B. gewährleistet sein, dass die von den Mieterinnen und Mietern gezahlten Nebenkosten auch korrekt verwendet werden. Die Mieterinnen und Mieter haben ein Recht, dies auch zu kontrollieren.
  1. Freiburg braucht mehr statt weniger Wohnungen in städtischem Besitz.
Werden Sie sich dem Verkauf städtischer Wohnungen (ausgenommen im Rahmen des regulären Geschäftsbetriebes der FSB und des Liegenschaftsamtes) widersetzen?

Ja. Die LiSSt hat auch in der Vergangenheit immer gegen den Verkauf von städtischen Wohnungen gestimmt und wirdf dies auch künftig immer so tun. Einzige Ausnahme ist ein Verkauf einzelner Wohnungen an Mieterinnen und Mieter oder an Mietergenossenschaften. Aber auch nur unter der Bedingung, dass der Bestand an städtischen Wohnungen dadurch nicht kleiner wird. Auch durch „Mieterprivatisierung“ darf nicht mehr verkauft werden, als neu gebaut oder dazu gekauft wird.
  1. Das ständige Unterangebot an preiswerten Wohnungen treibt Mieten in die Höhe. Daher muss die Stadt aktiv in den Wohnungsmarkt eingreifen. Hierzu sollte sie zum einen zinsgünstige Erbpachtgrundstücke zum Neubau preiswerter Mietwohnungen zur Verfügung stellen. Dabei sind MieterInnengenossenschaften und andere sozial gebundene Modelle zu bevorzugen. Auch das bewährte Instrument der Sicherung von Belegungs- und Mietpreisbindungen ist weiter auszubauen. Die FSB soll vor allem ihren Wohnungsbestand systematisch ausbauen. Neben Neubauprojekten ist auch der Erwerb preiswerter Mehrfamilienhäuser oder größerer Wohnungsbestände voranzutreiben.

    Was sind Ihre Vorstellungen einer aktiven Liegenschaftspolitik der Stadt?
Wir brauchen in Freiburg mehr öffentlich geförderte Wohnungen (Sozialwohnungen). Das heisst auch, dass wir mehr Wohnungen mit Belegungs- und Mietpreisbindungen brauchen. Seit Jahren fordert die Linke Liste, dass die Stadt eine aktive Liegenschaftspolitik betreiben sollte. Die Stadt muss für Mietwohnungsbau geeignete Grundstücke kaufen und ebenso bezahlbaren Wohnraum aufkaufen, um mehr Menschen mit bazahlbarem Weohnraum versorgen zu können. Dies ist ein wesentlicher Bestandteil der sozialen Daseinsvorsorge.