Alkoholverbote gekippt -- VGH bestätigt den akj

Alkoholverbote gekippt -- VGH bestätigt den akj

Die Alkoholverbote der Stadt Freiburg sind rechtswidrig und nichtig. Der
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) hat den
Normenkontrollanträgen stattgegeben, die John Philipp Thurn (27) vom
Freiburger Arbeitskreis kritischer Juristinnen und Juristen (akj) im
August 2008 gegen zwei Freiburger Polizeiverordnungen gestellt hatte.
Das Urteil ist nicht nur ein Erfolg für den akj, sondern auch für die
politischen Gruppen, die den Antrag unterstützt hatten: Freiburger
Kreisverbände und Hochschulgruppen der Jungen Liberalen, der Jusos, der
Grünen Jugend und der Linken.SDS ebenso wie der u-asta der Uni Freiburg,
die Fraktionsgemeinschaft Unabhängige Listen (UL), die Grüne Alternative
Freiburg (GAF) und Die Linke. UL und GAF hatten die fragwürdigen Verbote
bereits im Gemeinderat bekämpft, waren gegenüber einer "law and
order"-Koalition aus Grünen, CDU, SPD, FDP und Freien Wählern aber
erfolglos geblieben.
Rechtswidrig ist zum einen das pauschale Verbot, in einem bestimmten
Bereich der Freiburger Innenstadt "alkoholische Getränke jeglicher Art
zu konsumieren" oder in der Absicht mitzuführen, sie im Verbotsbereich
zu konsumieren: Wie der VGH bestätigte, trifft das pauschale Verbot ganz
überwiegend nicht gewaltgeneigte Menschen. "Wir haben von Anfang an
gesagt, dass von den Menschen, die im Verbotsbereich mitgebrachten
Alkohol trinken oder dabei haben, die meisten, vermutlich über 99%,
nicht gewalttätig werden", meint Antragsteller Thurn. Auch die Zahlen
der Polizei konnten einen Rückgang der registrierten Körperverletzungen
empirisch nicht belegen. Doch selbst wenn dies so wäre, bliebe es bei
einem unverhältnismäßigen Freiheitseingriff. Die rechtsstaatswidrige
Argumentation der Stadt und ihrer Unterstützer, wonach bereits der gute
Zweck das Mittel heilige, wurde erfreulicherweise und zu Recht
verworfen. Äußerungen von Vertretern der Stadt hatten im Übrigen immer
wieder bestätigt, dass die Interessen der Gastronomie eine wesentliche
Rolle beim Alkoholverbot gespielt hatten. Dieser von zweifelhaften
Motiven geprägten Verbotspolitik hat der VGH nun einen Riegel vorgeschoben.
Auch die in der medialen Berichterstattung häufig vergessene zweite
Verordnung wurde für nichtig erklärt. Diese "Randgruppenverordnung"
untersagte im gesamten Stadtgebiet "das Lagern oder dauerhafte Verweilen
außerhalb von Freischankflächen oder Einrichtungen wie Grillstellen u.
ä., ausschließlich oder überwiegend zum Zwecke des Alkoholgenusses, wenn
dessen Auswirkungen geeignet sind, Dritte erheblich zu belästigen". Die
Stadt Freiburg hatte sich vor dem VGH darauf berufen, mit diesem
abstrakten, verhaltensbezogenen Verbot in Wahrheit allein gegen "soziale
Randgruppen" vorgehen zu wollen, um bestimmte öffentliche Plätze
aufzuwerten. Besonders problematisch war zudem das Anknüpfen der Norm an
ein Verhalten, das bloß möglicherweise zu Belästigungen führt. Der VGH
erklärte die Verordnung letztlich allein wegen ihrer Unbestimmtheit für
rechtswidrig: In der Tat ist weder für die Bürgerinnen und Bürger, denen
für Verstöße immerhin ein Bußgeld bis zu 1.000 € angedroht wurde, noch
für den polizeilichen Vollzug auch nur annähernd objektiv bestimmbar,
wann jemand "überwiegend" den Zweck des Alkoholgenusses verfolgt oder
wann "Auswirkungen geeignet sind", Dritte erheblich zu belästigen.
"Wir fordern die Stadt Freiburg auf, nicht den teuren und langwierigen
Weg zum Bundesverwaltungsgericht zu wählen, sondern sich von dieser
Verbotspolitik zu verabschieden", so Maria Seitz (22) vom akj Freiburg.
Die im Stadtgebiet eingesetzten Polizeikräfte können in Fällen
alkoholbedingter Aggression auch ohne Alkoholverbot mit Einzelmaßnahmen
einschreiten. Im Umgang mit dem Rathaus offenbar missliebigen
"Randgruppen" ist zum einen auf mehr Toleranz für Lebens- und
Verhaltensweisen abseits der gängigen Konsummuster zu hoffen, zum
anderen auf eine (deutlich) verbesserte Ausstattung derjenigen sozialen
Einrichtungen, die sich den Problemen von Drogenabhängigen und
Obdachlosen widmen.

Kontakt und V.i.S.d.P -- John Philipp Thurn (akj)
E: alkoholverbote@akj-freiburg.de
W:http://www.akj-freiburg.de