Gestern im Gemeinderat: Interview mit Hendrijk Guzzoni zum Rahmenplan Weingarten-West / KOD gekippt

Die gestrige Gemeinderatsitzung war nicht nur wegen der Abstimmung zum kommunalen Ordungsdienst (KOD) spannend. Deutlicher als erwartet, mit 25 :22 Stimmen wurde eine sinnlose Geldverschwendung gestoppt und der KOD gekippt. Interessant war aber auch die Auseinandersetzung um den Redebeitrag unseres Stadtrats Hendrijk Guzzoni zum Tagesordungspunkt Rahmenplan Weingarten-West.
Zu Recht wies er darauf hin, das anstatt Geld in einen überflüssigen Ordnungsdienst zu verpulvern, die freiwerdenen Mittel u.a. in den  sozialen Ausbau von Weingarten zu stecken.


Im folgenden Interview nimmt Hendrijk Guzzoni zur gestrigen Auseinandersetzung im Gemeinderat Stellung:

Interview mit Linke Liste-Stadtrat Hendrijk Guzzoni

Frage: Der Oberbürgermeister und die anderen Fraktionen waren gestern über deinen Redebeitrag zum ToP „Rahmenplan Weingarten-West“ richtiggehend empört. Überrascht?

HstG: Nein. Wer Probleme offen anspricht, wird oft als „Nestbeschmutzer“ attackiert. Das bin ich gewohnt

Frage: Was waren denn die Kritikpunkte an deiner Rede:

HstG: Ich hätte Weingarten und seine BewohnerInnen zu negativ dargestellt. Zitat aus meinem Redebeitrag: Und das alles trotz – und das sei hier ausdrücklich betont – einer Bevölkerung, die engagiert und solidarisch und inklusiv alles daran setzt, ihre Probleme zu lösen.
Und um es ganz klar zu sagen: nicht der Sozialmieter, die Sozialmieterin ist das Problem, nicht der Ausländer ist das Problem, das Problem ist die Armut, die Konzentration von Armut, die Ghetto-Bildung, ist die ungleiche Verteilung im Stadtgebiet.
Das ist das Gegenteil von Schlechtmachen der WeingertnerInnen, aber das haben die lieben KollegInnen wohl überhört, so schön eingerichtet in ihrer scheinheiligen Empörung...



Frage: und außerdem?

HstG: ich habe von „spanischen Verhältnissen“ in Bezug auf die Jugendarbeitslosigkeit in Weingarten gesprochen. Fakt ist: es gibt ca. 1.500 Jugendliche und junge Erwachsene unter 30, die erwerbslos sind in Weingarten. Wenn jemand die Zahl der Menschen in der Altersgruppe von 16 bis 30 in Weingarten anschaut, kommt leicht zu einer Quote von über 50%, eben „spanische Verhältnisse“. 

Frage: gab es denn Reaktionen aus Weingarten auf deinen Redebeitrag?

HstG: Tja, das ist das Lustige. Der OB meinte, die Weingartner seien sicher entsetzt, wenn sie hören könnten, was ich sagen würde, z.B. Frau Nabulsi, die Vorsitzende des Bürgervereins Weingarten, die auf der Zuschauertribüne saß. Fakt ist jedoch: sowohl Frau Nabulsi von Bürgerverein als auch VertreterInnen der Quartierssozialarbeit kannten das Redemanuskript und fanden den Redebeitrag gut und haben sich dafür sogar bedankt! Und die drei LeserInnenbriefe, die heute in der BZ abgedruckt waren, haben genau die Aussagen getroffen, die ich auch gemacht habe.
Stadtverwaltung und Gemeinderat können sich gerne über mich aufregen. Ich bin das gewöhnt und kann das gut aushalten. Dem Stadtteil würden sie wohl besser helfen, wenn sie sich über Hunderte von Ratten neben und auf Kinderspielplätzen aufregen würden...

Frage: und dein Fazit ?

HstG: Die Reaktionen aus Weingarten bestärken mich. Und ein Gutes hat die Diskussion gehabt: ich hatte den Vorschlag gemacht, dass sich der Gemeinderat nächstes Jahr in den verschiedensten Gremien mit der Situation in Weingarten beschäftigen solle: 
z.B. im Schulausschuss über die Situation der Adolf-Reichwein-Schule, im Migrationsausschuss, im KJHA, im Kulturausschuss (Kultur ist für die Identität, für das Selbstbild eines Stadtteils von essentieller Bedeutung), in der AG Jobcenter, im Aufsichtsrat der Stadtbau und im Aufsichtsrat der Abfallwirtschaft über die Müllsituation usw. usw. und der OB meinte nach der Sitzung, dass er damit einverstanden sei, dies zu tun. Das wäre eine richtig gute Sache.