Diskussionsbeitrag: Der ausgebliebene Aufschrei.

Warum ein öffentliches Anprangern rassistischer Türpolitik ausblieb, als es am  allernotwendigsten gewesen wäre.

Am 13. Januar 2016 verschickte der Club White Rabbit eine E-Mail an befreundete Gruppen und Veranstalter, in der er ankündigte, „vorerst keine Menschen mehr in das White Rabbit reinlassen werden, die nur eine Aufenthaltsgestattung besitzen.“ Dies löste zwar unter den angeschriebenen Gruppen internen Protest aus, eine ehrliche und öffentlich geführte Debatte darüber ist aber von dieser Seite bislang ausgeblieben. Die Badische Zeitung für ihre Berichterstattung zu kritisieren war vielen Freiburger Linken anscheinend wichtiger.
Anlass für die drastische Maßnahme war laut den Mitarbeiter/-innen des White Rabbits eine Reihe von sexuellen Übergriffen und Angriffen auf ihre Gäste und Personal. Inwiefern ein pauschaler Ausschluss von Menschen ohne Papieren dieses Problem tatsächlich lösen könnte, geht aus der E-Mail nicht hervor. Immerhin war das Team selbst so unzufrieden damit, dass es eine Reihe befreundeter Gruppen zu einem Gespräch in der folgenden Woche einlud. Nach diesem Treffen wurde die Regelung dann zunächst ausgesetzt und schließlich abgeschafft; stattdessen wurde die Einführung eines Clubausweises angekündigt, die allerdings bis jetzt Die E-Mail des White Rabbit und die Diskriminierung Geflüchteter in weiteren Clubs Freiburgs löste ein Presseecho aus, das weit über die Region hinaus ging und letzten Endes sogar dem Oberbürgermeister Dieter Salomon zu einem Auftritt bei Anne Will verhalf. Im scharfen Kontrast dazu blieb es in der politischen Landschaft links der SPD, die in Freiburg normalerweise sehr aktiv und gerne auch lautstark Position bezieht, verdächtig ruhig.
Innerhalb der einen Woche, in der das rassistische Zutrittsverbot in Kraft war, fand sogar eine Soli-Party für die „Baustelle: Ideologiekritik“ statt. Auch einen Tag später, am 16. Januar, wurden einige Menschen mit Aufenthaltsgestattung von der Tür abgewiesen, von denen sich laut einer Pressemitteilung des autonomen Zentrums KTS dann am Montag einige einen Clubausweis besorgten. Bei einer weiteren Soli-Party in der Woche darauf, diesmal für die Gruppe „La Banda Vaga“, wurde die Regelung auf Druck der Veranstalter außer Kraft gesetzt. Dies war zweifellos ein richtiger Schritt, allerdings blieb eine öffentliche Stellungnahme der betroffenen Gruppen bis zum  heutigen Tag aus. Zum Objekt der Kritik wurde stattdessen die Badische Zeitung. In einer Stellungnahme der Anarchistischen Gruppe Freiburg wurde dieser eine „latent rassistische Berichterstattung“ vorgeworfen. Im selben Atemzug verharmlost die Gruppe die Maßnahme des White Rabbit als „dümmlichen Vorschlag“, so als ob dieser keineswegs „dümmliche“, sondern offen rassistische Beschluss nie wirklich umgesetzt worden wäre. Dass der Fehler in erster Linie bei der Badischen Zeitung – und nicht bei der rassistischen Türpolitik zahlreicher Freiburger Clubs – lag, darin waren sich viele Freiburger Linke mit den Clubbetreibern einig, die eilig die Stellungnahme des White Rabbit teilten. Liest man sich die Stellungnahmen einiger Clubs durch, so könnte man tatsächlich zu dem Ergebnis kommen, die Badische Zeitung hätte sich rassistische Türkontrollen nur ausgedacht. Nun kann man den Artikel der Badischen Zeitung zweifelsohne dafür kritisieren, dass in ihm die Recherche-Befunde verallgemeinert werden  und auch keine nicht-diskriminierenden Alternativen besprochen werden. Ein reißerischer Titel tat sein Übriges und die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer, teilweise sogar in internationalen Medien. Nichtsdestotrotz steht fest, dass die Badische Zeitung in dem Artikel ein Problem benennt, das viele Menschen gerne ausblenden: dass die Clubs, in denen sie ausgelassen tanzen, nicht jedem gleichermaßen offen stehen. Wer die Badische Zeitung lautstark für ihre Berichterstattung kritisiert, der muss sich mindestens ebenso lautstark zu den Sachverhalten äußern, die der Artikel zu Tage gefördert hat.
Und diese sprechen eine deutliche Sprache. Sie sagen nichts über das Verhalten von Geflüchteten, aber viel über das Menschenbild der Betreiber aus. Ein Club lasse Geflüchtete nur noch zu Reggae-Veranstaltungen rein, berichtete  die BZ, das Elpi nur eine „kleine Gruppe“ und auch das Jazzhaus verschärfte seine Türpolitik gegenüber Menschen mit Aufenthaltsgestattung. Wer zu Diskriminierung aufgrund von Pass und Aufenthaltsstatus greift, wenn es darum geht, sexuelle Gewalt einzudämmen, der handelt nicht nur rassistisch, sondern in diesem Fall sogar illegal, wie der Grünen-Politiker Ulrich Beck klarstellt. Dass selbst ein als „links-alternativ“ bekannter Club wie das White Rabbit zuallererst zu einer solchen Maßnahme griff, bevor er anfing, gemeinsam mit befreundeten Gruppen ein neues Awareness-Konzept auszuarbeiten, ist besorgniserregend – und bezeichnend dafür, wie salonfähig Pauschalurteile über Geflüchtete mittlerweile geworden sind.
Noch schlimmer ist aber das Schweigen darüber, beziehungsweise das Verharmlosen dieser Vorgänge im White Rabbit und anderswo. In dem Moment, in dem es aus Solidarität mit den Betroffenen geboten gewesen wäre, das pauschale Abweisen von Menschen aufgrund ihres Aufenthaltsstatus öffentlich anzuprangern, zu skandalisieren und eine Entschuldigung von  den Verantwortlichen einzufordern, herrschte in der linken Szene Freiburgs größtenteils Schweigen. Auf diese Weise ließen sich viele linke Gruppen in das desaströse Krisenmanagement des White Rabbit einbinden, das im Wesentlichen darin bestand, tröpfchenweise das zuzugeben, was ohnehin schon bekannt war. Die fragliche E-Mail etwa wurde auf der Facebook-Seite des White Rabbits erst nachträglich an die ursprüngliche Stellungnahme des Clubs angehängt. Eine Entschuldigung des White Rabbit für das einwöchige Zutrittsverbot blieb bis heute aus und wird – das ist das Schlimme – auch von niemandem öffentlich eingefordert. Zu verführerisch ist es gewesen, einen alten Lieblingsfeind vieler Freiburger Linker – die Badische Zeitung – zum Sündenbock zu machen. Dabei sollte es eigentlich klar sein, dass die Türpolitik eines Clubs von dessen Betreibern bestimmt wird und nicht von der Redaktion einer Regionalzeitung.
Neben dem Impuls, der Badischen Zeitung einen Schlag auf den Hinterkopf zu geben, zeigt sich im Umgang mit dem Fall White Rabbit noch ein anderer problematischer Reflex, der in der politischen Linken leider sehr weit verbreitetist. Dieser besteht darin, eine scharfe Trennungslinie zwischen den „eigenen Leuten“ und der bösen Außenwelt zu ziehen und dementsprechend öffentliche Kritik an ersteren als Nestbeschmutzung anzusehen. Anders ist es nicht zu erklären, warum so viele politisch aktive Menschen, deren antirassistische Überzeugung hier nicht in Frage gestellt wird, den Artikel der Badischen Zeitung offensichtlich für deutlich empörender hielten als den Beschluss des White Rabbit.
In einer Stellungnahme von Gruppen und Einzelpersonen, die sich als „Freunde des Hasen“ bezeichnen, heißt es gar, mit „dem Vertrauen des Hasen [sei] nicht verantwortungsbewusst genug umgegangen [worden], sonst wäre es wohl nie so weit gekommen.“ Womit gemeint ist: Sonst wäre dieser Schritt nie Gegenstand einer öffentlichen Debatte geworden, sondern hätte „intern“ geklärt werden können. Das White Rabbit als Teil der linken Szene zu sehen, ist an sich schon problematisch, da es sich beim Hasen nicht um ein selbstverwaltetes Jugendzentrum oder ähnliches handelt, sondern um einen kommerziellen Club. Aber selbst wenn dies der Fall wäre, dürfte das für eine Linke, die einen Anspruch auf gesellschaftliche Veränderung verfolgt, auf keinen Fall ein Grund sein, rassistisches Verhalten nicht auch dort
Die Entwicklung der Türpolitik im White Rabbit seitdem ist positiv zu werten. Zahlreiche Leute aus dem Umfeld des Clubs beteiligen sich an der Ausarbeitung eines neuen Awareness-Konzepts. Auch die Einführung eines Clubausweises, der bei einigen Veranstaltungen verpflichtend sein soll, ist ein begrüßenswerter Schritt. Die Art und Weise, wie sich sowohl das White Rabbit als auch viele dem Club nahe stehende Gruppen um die klare Verurteilung des ursprünglichen Vorschlags als rassistisch herumgedrückt haben, hinterlässt allerdings einen bitteren Nachgeschmack.