Rede von Michael Moos auf der Veranstaltung des Bündnisses für ein Sozialticket am 16.09.2016 in Freiburg, Vorderhaus:


Am 17.11.2015 titelte die Badische Zeitung:
„Paukenschlag in Freiburg: Die Stadt bekommt ein Sozialticket. Eine Ratsmehrheit dafür steht.“
Am 10. Mai 2016 Jahres beschloss dann der Gemeinderat mit großer Mehrheit die Einführung eines Sozialtickets. Lediglich 4 der 48 Gemeinderätinnen und -räte stimmten noch dagegen, 2 von den Grünen und 2 von der CDU.  Noch wenige Minuten zuvor hatte aber schwarz/grün einen Vertagungsantrag gestellt, um die absehbare Entscheidung für die Einführung eines Sozialtickets in letzter Minute zu verhindern. Diese Entscheidung gehöre in die Haushaltsberatungen, damit sie abgewogen werden könne mit den vielen anderen kostenauslösenden Wünschen aus dem Gemeinderat, so die Begründung, die der OB auch nach der Entscheidung des Gemeinderates immer noch  vertritt. Doch an diesem Tag kamen sie damit nicht durch. Der Vertagungsantrag wurde mehrheitlich abgelehnt, und siehe da – plötzlich wurde dann mit großer Mehrheit aus allen Fraktionen das Sozialticket verabschiedet.

Damit können ab dem 01.10.16 knapp 21.000 Anspruchsberechtigte ein Sozialticket erwerben, entweder in Form einer nicht übertragbaren Regiokarte für 32,50 € statt 52,50 € oder einer 2x4 Mehrfahrtenkarte für 8,05 € statt 16,10 €, ab dem 01.01.2017 sind dann zusätzlich ca. 4.000 Wohngeldberechtigte (geschätzt) anspruchsberechtigt.
Das war schließlich der Kompromiss, auf den sich UL, SPD, JPG, Freie Wähler und FDP einigen konnten, mehr war leider nicht drin.  Insbesondere konnten wir nicht durchsetzen, dass das Sozialticket – wenn schon nicht übertragbar – nicht mehr als 25.-€ kostet und von den Mehrfahrtenkarten monatlich nicht nur 8 sondern 16 Tickets erworben werden können. Auch bringt es der jetzt auf 20.- € limitierte Zuschuss der Stadt pro Regiokarte mit sich, dass das Sozialticket bei jeder allgemeinen Preiserhöhung des RVF teurer wird.
Ein absehbares großes Manko des nicht übertragbaren Sozialtickets:  Bedarfsgemeinschaften fahren mit der übertragbaren Regiokarte für 55,50 € , die mehrere nutzen können, deutlich günstiger, als wenn sich 2 das ermäßigte Sozialticket für 32,50 € kaufen müssen.
Und schließlich können dieses Sozialticket nur Freiburgerinnen und Freiburger erwerben, für die anderen aus der RVF-Gebiet, also den Landkreisen Emmendingen und Hochschwarzwald, bleibt alles beim Alten, was auch sofort zu berechtigten Protesten aus den Landkreisen führte.
Aus diesen Gründen ist das Freiburger Sozialticket ein Erfolg mit deutlichem Nachbesserungsbedarf. Nach 2 Jahren soll im Gemeinderat eine erste Auswertung stattfinden. Schon aus diesem Grund darf die so wichtige öffentliche Debatte um das Sozialticket nicht verstummen.  Die Arbeit des Bündnisses sollte deshalb auch weitergeführt werden!
Wie war es möglich, dass 5 Jahre nach einer deutlichen Ablehnung eines Sozialtickets im Gemeinderat jetzt eine Mehrheit zustande kam?
Der Druck aus dem Bündnis für ein Sozialticket wurde immer stärker, SPD Ortsvereine schlossen sich an ebenso wie Einrichtungen und Persönlichkeiten aus den Kirchen und wichtigen sozialen Institutionen an – unverständlicherweise  nicht AWO, Caritas und Paritätischer Wohlfahrtsverband.
Dann: Freiburg war die letzte Großstadt in Baden-Württemberg ohne Sozialticket. Wir haben dies recherchiert und allen Fraktionen zur Kenntnis gebracht.
Weiter wurde zum 01.01.16 das Jobticket Baden-Württemberg vom Land eingeführt, das ebenfalls 20.-€ für seine Bediensteten Zuschuss beim Erwerb einer Regiokarte bezahlt. Da der RVF das Jobticket im Abo für 46,25 € anbietet, kann jeder Beschäftigte im öffentlichen Dienst des Landes die nicht übertragbare Regiokarte für 26,50 € erwerben. Der Richter, der Oberstudienrat, der Abteilungsleiter im Regierungspräsidium zahlen 26,50 €, der Flüchtling in den städtischen Wohnheimen, der Hartz IV Bezieher oder der Grundsicherung im Alter Empfänger sollten 52,50 € bezahlen -  ein Unding.
Dann hatte sich die Zusammensetzung im Gemeinderat geändert, die stabile Mehrheit von grün/schwarz war dahin, neue Mehrheiten waren möglich.
Und schließlich hatte unser Einsatz über rund 15 Jahre auch manche Gegner mürbe gemacht, sie wollten das ewige Thema Sozialticket vom Tisch haben, es drohte ein Imageschaden für Freiburg weit über die Stadtgrenze hinaus.
So war im Mai 2016 möglich, was nach der Abstimmungsniederlage im Mai 2011 noch unmöglich schien: ein Sozialticket endlich auch in Freiburg.
Allen, die sich über viele Jahre eingesetzt haben für ein Sozialticket in Freiburg, im Runden Tisch gegen die Auswirkungen der Hartz-Gesetze ebenso wie dann im Bündnis für ein Sozialticket oder an anderer Stelle sei an dieser Stelle gedankt. Und wir alle wissen, dass Martin Klauss mit seinem Einsatz über viele Jahre einen maßgeblichen Anteil an diesem Erfolg hat, den er leider nicht mehr selbst miterleben kann.
Das Sozialticket ist ein Baustein bei unseren Anstrengungen für ein sozial gerechteres Freiburg. Weitere Auseinandersetzungen stehen an, ich nenne die Mietenpolitik der Stadtbau, die Erhöhung der Elternbeiträge für Kitas und die Disziplinierung der Quartiersarbeit. Nutzen wir diesen Erfolg beim Sozialticket für ein sozial gerechteres Freiburg.

Ich danke Euch und wünsche allen noch ein schönes Fest.