Rede: Weiteres Verfahren in Bezug auf die Mauerreste der alten Synagoge


In der Gemeinderatssitzung am 15.11.2016 stellte die Fraktion der Unabhängigen Listen einen Antrag, um die Entscheidung über das weitere Verfahren in Bezug auf die Mauerreste der alten Synagoge in den Gemeinderat zu bringen. Linke Liste-Stadtrat und Fraktionsvorsitzender Michael Moos begründet den Antrag. Der Antrag der Unabhängigen Listen und JPG auf Baustopp und Beratung mit anschließender Beschlussfassung zum Erinnerungsort „Zerstörte Synagoge“ im Gemeinderat auf Grundlage einer gründlichen Untersuchung eines Alternativkonzepts durch die Verwaltung wurde vom Gemeinderat mit großer Mehrheit abgelehnt. Statt Baustopp war Diskussionsstopp die Linie der Mehrheit.




  1. Es trifft zu, dass es einen langen und gründlichen Entscheidungsprozess für die Neugestaltung des Platzes der Alten Synagoge ab 2004 gab. In diesem Verfahren wurde einvernehmlich mit der Universität und der jüdischen Gemeinde das Planungskonzept für die Umgestaltung des Platzes beschlossen. Mit einem Wasserbecken in der Form des Grundrisses der Alten Synagoge soll ein Ort der Erinnerung geschaffen werden. Bis zum Auffinden der Fundamentreste der alten Synagoge stand unsere Fraktionsgemeinschaft uneingeschränkt zu dieser Entscheidung.
  2. Mit dem Auffinden der Fundamentreste entstand aber eine neue Situation. Unabhängig davon, wie man aus baulicher Sicht die Qualität dieser Reste betrachtet, hatte doch damit niemand gerechnet. Unmittelbar nach dem Auffinden der Fundamentreste haben wir uns im Hauptausschuss an die Verwaltung gewandt und darum gebeten zu prüfen, wie diese Fundamentreste in die Platzgestaltung einbezogen werden können. Es war eigentlich sofort klar, dass jetzt die Möglichkeit bestand, zusätzlich zum Moment des Erinnerns und Verweilens einen Ort der Mahnung zu schaffen. Mit den tatsächlich kümmerlichen Fundamentresten könnte man zeigen: schaut Euch das an, das ist es, was noch übrig ist von der alten Synagoge, die von den Nazis abgebrannt und gesprengt wurde und deren letzten Reste in den fünfziger Jahren vollends einplaniert wurden. Nie wieder! 
  3. Schnell zeigte sich, dass ein solcher ganz anderer Umgang mit dem Thema eine neue Konzeption dieses Erinnerungsortes zur Folge hat, mit Zeit - und Kostenfolgen. Dies förderte nicht gerade die Bereitschaft, zu einer unvoreingenommenen Prüfung eines Alternativkonzeptes. Unsere Fraktion hat zu keinem Zeitpunkt eine rasche Entscheidung im Sinne eines Alternativkonzeptes gefordert. Was wir uns aber bei diesem Thema schuldig sind ist eine gründliche Überprüfung der behaupteten Konsequenzen. Hinsichtlich der Kosten haben wir bislang lediglich eine Erklärung von Herrn Uekermann, der diese auf eine bis anderthalb Millionen Euro schätzt. Dies ist bislang in keiner Weise überprüft worden, gleichwohl argumentieren alle damit. Fest steht aber, dass es nicht das erste Mal wäre, dass aufgrund von archäologischen Funden die Fertigstellung eines Neubaus erheblich verzögert wird. Was wir also heute einfordern ist ein Beschluss des Gemeinderats, die Verwaltung mit dieser gründlichen Überprüfung eines Alternativkonzeptes zu beauftragen, damit der Gemeinderat in voller Verantwortung entscheiden kann, ob wir weitermachen wie bisher beschlossen oder nicht. Bis zu dieser Entscheidung des Gemeinderats muss ein Baustopp gelten, den wir ebenfalls sofort gefordert haben.
  4. Wir verlangen diese gründliche Überprüfung eines Alternativkonzeptes aus Sicht der Gesamtstadt, in der es keine Zeugnisse des jüdischen Lebens bis 33 mehr gibt und in der auch aus aktuellen politischen Gründen es von hohem Wert wäre, auf die Folgen von Rassismus und Nationalismus mit authentischen Funden verweisen zu können. Und gleichzeitig ist uns natürlich wichtig, dass diese Platzgestaltung im Einvernehmen mit der jüdischen Gemeinde und den Nachkommen der alten jüdischen Gemeinde in aller Welt erfolgt.


Dies ist in erster Linie eine politische Verpflichtung, aber auch eine, die sich rechtlich ausgedrückt hat. In dem Kaufvertrag von 1978 zwischen Stadt und Land über die Platzfläche vor dem Kollegengebäude II wurde ein ausdrücklicher Zustimmungsvorbehalt der Israelitischen Gemeinde zu dem bereits damals geplanten öffentlichen Platz aufgenommen. Mit dieser vertraglichen Regelung wurde klargestellt, dass es eine Neugestaltung dieses Platzes ohne oder gar gegen die jüdische Gemeinde nicht geben kann.

Diese Zustimmung wurde zwar von der jüdischen Gemeinde am 12. September 2011 erklärt. Dabei ging die jüdische Gemeinde aber wie alle Beteiligten selbstredend davon aus, dass es keine zusammenhängenden Strukturen der zerstörten Synagoge im Boden mehr gibt. Dies hatte die Stadt Freiburg allen mitgeteilt, die damals in das Verfahren involviert waren als Ergebnis der am 4. April 2006 durchgeführten Geo-Radar-Messungen.

Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die jüdische Gemeinde aufgrund der nun doch gefundenen Fundamentreste sich an diese Zustimmung von 2011 nicht mehr gebunden fühlt. Die Verantwortung für diese Entwicklung liegt sicher nicht bei der jüdischen Gemeinde, die keinerlei Einfluss auf die Untersuchungen des Platzes hatte, und die der Auskunft der Stadt vertrauen konnte.

Die uns zugegangene Erklärung der jüdischen Gemeinde Freiburg verlangt jetzt eindeutig eine Änderung des Platzkonzeptes. Kann man nun sagen, dies ist zu spät? Kann man die jüdische Gemeinde an dieser 2011 abgegebenen Zustimmungserklärung festhalten, wenn diese auf Grundlage einer ganz anderen Platzsituation abgegeben wurde? Unabhängig von jeglicher rechtlichen Bewertung bin ich der Meinung, dass man die Angelegenheit nicht auf dieser Basis durchziehen sollte. Der Schaden für die Stadt wäre groß.


Wir bitten Sie deshalb um Zustimmung zu dem vorgeschlagenen Verfahren.