Öffentliche Stellungnahme zu dem Essay "Leben mit der Corona Krise" in der Badische Zeitung vom 28. 3. 20



Sehr geehrter Herr Fricker,

ich melde mich mal wieder aus gegebenem Anlass zu Wort. Es betrifft  Ihren Essay „Leben mit der Corona Krise Die Qual der Ungewissheit“vom  28. März 2020.

Ich werde mich auf Ihre anfänglichen Ausführungen und  auf den letzten Teil konzentrieren, obwohl ich zu einigen Aspekten durchaus was zu bemerken hätte. 
Sie lassen offensichtlich keine Gelegenheit aus, der Linken immer wieder  eins auszuwischen und  diese in Misskredit zu bringen und das anfangs als Einstieg ins Thema. „Da feiern spendierfreudige Linke das Ende der schwarzen Null, weil ihnen die Umsicht sparsamer Haushälter immer schon gegen den Strich ging“. Das ist pauschale Polemik. Sie vermitteln ein Bild über die Linken, die scheinbar auf einer Party die Sektkorken knallen lassen und das Ende der schwarzen Null feiern. Im Anschluss folgt eine Breitseite gegen Globalisierungsgegner und Rechtspopulisten im Kontext mit den Linken. Assoziiert und übersetzt heißt das, Links gleich wie Rechts. Ihre Aversion richtet sich offensichtlich gezielt gegen die Linke. Ihre Auslassungen gegen Rechts sehe ich mehr als Beiwerk.
Woher kommt diese Aversion gegen die Linke? Haben Sie schlechte Erfahrungen mit Linken gemacht? Vorurteile und Feindbilder liegen nicht selten nah beieinander. Die Verteufelung der Linken steht ganz in der Tradition und Kontinuität deutscher Innen- und Außenpolitik seit über 150 Jahren, von Bismark, Kaiser Wilhelm, Noske, Brüning, Adenauer, Strauß, Kohl, Merkel. Merkel ist differenzierter zu betrachten und zu werten. Hitler und die NS Zeit bewerte ich extra, weil mit ihr die schrecklichste und schändlichste, deutsche Geschichte eines unübertrefflichen Verbrecherstaates in der deutschen Geschichte verbunden ist. Völlig singulär in der Menschheitsgeschichte.
Ich meine, wenn es die Linke nicht gäbe, man müsste Sie erfinden. In den  meisten Staaten der Welt sind Linke eine Selbstverständlichkeit und werden nicht so heftig angefeindet wie in Deutschland. SPD und Grüne stellen sich erfreulich auf die Realität ein, dass die Gefahr für die Demokratie von rechts kommt. Diese reale Gefahr kann nur durch gemeinsames Handeln gestoppt werden, unter Einbezug besonnener Kräfte aus FDP und CDU/CSU. Das ist auch eine Lehre aus der faschistischen
Vergangenheit.
Jetzt wende ich mich dem letzten Teil Ihrer Ausführungen zu Sie gehen im letzten Teil an die Grenze des rechtlich Vertretbaren. Sie vertreten die Aufweichung des Datenschutzes im Zusammenhang mit der Corona-Krise. Damit sind elementare Rechte und das Selbstbestimmungsrecht jedes Einzelnen berührt. Diese Versuche sind nichts Neues in Deutschland. Ich denke an die einstige Forderung besonders aus konservativen Kreisen, gefasste Mörder zu foltern, um Geständnisse zu erpressen. Ein anderes Beispiel ist der Plan, von Terroristen gekaperte Passagier-Flugzeuge zum Abschuss freizugeben, um Menschenleben zu retten, oder noch Schlimmeres zu  verhindern. In der aktuellen Situation der Coronakrise ist es ähnlich,  sollen alte Menschen nichr mehr beatmet oder behandelt werden, weil sie  angeblich nicht mehr zu retten sind, um jüngere Menschen zu retten. Kein
Menschenleben kann gegen ein anderes aufgerechnet werden. Aus diesem  Dilemma kann uns auch die beste Ethik nicht befreien. Das sind  unheimliche Lebensfragen spannend, verführerisch und gefährlich  zugleich. Sie sind deshalb so gefährlich, weil der Staat und seine  Institutionen eine erweiterte Macht erhalten, was zur Einschränkung freiheitlicher, demokratischer und sozialer Rechte für die Bürger führen wird. Eine der wichtigen Ursachen für die aktuelle Not in den
Kllniken,sind in einer falschen Gesundheitspolitik zu suchen, die auf Einsparung, Privatisierung und Rendite setzt. Je nach politischer Landschaft kann diese Praxis Normalität und zu einem Albtraum werden. Die Achtung der Würde des Menschen, wie im GG in Art. 1 verbrieft, ist Maßstab für das GG für das gesellschaftliche Zusammenleben und für staatliches Handeln und letzteres besonders. Das ist eine elementare unveränderbare Konsequenz aus der NS Geschichte. Da darf es keine Ausnahme geben („Wehret den Anfängen“).

„Menschlichkeit zählt. Die dürfen wir nicht verlieren“ schreiben Sie zum  Schluss Ihres Essays. Genau! Sie darf aber auch nicht für zwielichtige zweifelhafte politische Ziele und Zwecke missbraucht werden. In einer Zeit voller Widersprüche, Gegensätze, Rivalitäten, Spannungen und
nationalistischen Entwicklungen ist diese Gefahr sehr groß. Gesundes Misstrauen und Wachsamkeit können durchaus sinnvoll sein und auf keinen Fall schaden.

mit freundlichen Grüßen

Max Heinke