Veränderungen bei den ÖPNV-Tarifen – Weg zu wirklich nachhaltiger Verkehrswende ist noch weit

Die Meinungen zum bundesweiten 9-Euro-Ticket und dem 365-Euro-Ticket als landesweites Jugendticket in Baden-Württemberg gehen immer wieder auseinander. Zunächst verständlich!
Auf der einen Seite steht eine gewisse Überrumplung der umsetzenden Verkehrsverbünde, die Fragen warum 9 Euro vs ganz umsonst, was kommt danach, angesichts weiter steigender Energiepreise? Und beim Jugendticket, ein hoher Anteil, den die Kommunen tragen müssen, ohne dazu vorher ausreichend gefragt worden zu sein, sowie die Frage wie passgenau so ein Angebot überhaupt ist, und ob es nicht auch ergänzend eine kleine regionale Variante bräuchte, die die bisherigen Angebote in diesem Bereich abdeckt, und eine große bundesweite  Variante.

Auf der positiven Seite steht klar ein bundesweiter Feldversuch, ein Experiment, in Richtung kostenfreier ÖPNV und beim Jugendticket die landesweite Angleichung von Tarifstrukturen (eine alte und richtige Forderung an den ÖPNV).In jedem Fall greifen diese bundes- und landesweiten Tarifvorgaben tief in bisherigen Strukturen der ÖPNV-Finanzierung ein, die bisher eher kleinräumlich und teils sehr kompliziert aufgestellt war um die Kosten gerecht innerhalb der Städte und Gemeinden eines Verkehrsverbundes zu verteilen.

Mit steigenden Energie- und Personalkosten, ambitionierten regionalen Ausbauplänen und der sehr verschiedenen Landschaft an Aufgabenträgern und Vertragsnehmern passt dieser Paradigmenwechsel bisher nicht zusammen und es braucht eine langfristige Absicherung der regionalen ÖPNV-Systeme, die bisher nicht geklärt ist.

Fraglich ist auch, wie lange Bund, Land und Kommunen sich diese Zuschüsse und Eingriffe in die Tarife leisten können, wenn die dazu notwendigen Steuereinnahmen nicht generiert werden, zb auf Basis einer solidarischen Steuerreform oder einer grundlegend anderen ÖPNV-Finanzierung.

Für die Zeit nach dem 9-Euro-Ticket sind Fahrpreiserhöhungen schon jetzt garantiert. Allen die Inflationsbedingten Preissteigerungen werden um die 3-5% liegen (müssen) wollen die Kommunen nicht drauf zahlen. Hinzu kommen wohl weiter steigende Energiekosten und neue berechtigte Tarifabschlüsse für die Beschäftigten.

Klar ist, dass dem ÖPNV bei der Verkehrswende und dem Klimaschutz eine Schlüsselrolle zukommt. Er ist im Ausbau auch Motor für öffentliche Aufträge, Beschäftigung und Einkommen - und Innovation.

Vor dem Hintergrund zahlreicher Krisen, von Klima über Corona bis zum Ukraine-Krieg, braucht es hier jetzt einen langen Atem, damit wir mit angefangenen Ausbau, neuen Tarifen und den energetischen Herausforderungen, nicht auf halber Strecke stehen bleiben.

Die Kommunen, die Stadt Freiburg und unsere Freiburger Verkehrs AG - VAG haben das verstanden, brauchen dazu aber eine verbindliche Weiterentwicklung der Förderprogrammen und die notwendigen Finanzmittel von Land und Bund.

PS: Was mich schon positiv stimmt, ist eine sich abzeichnende Bewegung im Freiburger Gemeinderat zur Vergünstigung des Freiburger Sozialtickets in der Zeit nach dem 9-Euro-Ticket, als konkret sozial-ökologische Maßnahme für Menschen mit kleinen Einkommen, bei steigenden Energiekosten. Danke an JUPI Fraktion Freiburg für diese gemeinsame Initiative.

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Gregor Mohlberg
Linke Liste - Solidarische Stadt
Stadtrat und Fraktionsvorsitzender
Fraktionsgeschäftsführung
Fraktionsgemeinschaft
EINE STADT FÜR ALLE