Nichts Gutes aus der EU für die Kommunen

Amtsblatt, 21. Januar 2006

EU-Richtlinie gefährdet Arbeitsplätze und bewirkt Lohndumping
Im Februar soll im Europäischen Parlament in Straßburg die sogenannte EU-Dienstleistungsrichtlinie, die „Bölkesteinrichtlinie“ verabschiedet werden. Danach ist sie dann ein neues Gesetz, das EU-weit gelten wird. Sie wurde 2004 nach dem damaligen EU-Binnenmarktkommissar Frits Bölkestein benannt. Vorgeschlagen wird hier ein liberalisierter europäischer Dienstleistungsbinnenmarkt. Sollte diese Richtlinie, dieses europäische Gesetz, verabschiedet werden, wird es voraussichtlich den europäischen Dienstleistungsmarkt für einen Dumpingwettlauf nach unten öffnen: bezogen auf Löhne, Sozialstandards, Verbraucher- und Umweltschutzrecht, Qualität und wohl auch beim Haftungsrecht. Dieses neue Gesetz wird EU-weit gelten. Es wird sich bis in jede Kommune auswirken, denn es sollen zukünftig die Gesetze jenes Landes gelten, aus dem der jeweilige Dienstleister kommt. Dieses sogenannte „Herkunftslandprinzip“ steht auch im Zentrum der öffentlichen Kritik, die vergangenes Jahr in unserem Nachbarland Frankreich eine solche Dimension erhalten hatte, dass eine landesweite breite Kampagne gegen diese Richtlinie schließlich mit der Ablehnung des EU-Verfassungsentwurf endete. Herkunftslandprinzip beinhaltet auch, dass es entscheidend sein wird, wo eine Firma ihren Sitz oder Filiale hat. Entsprechend einem „freien grenzüberschreitenden EU-Dienstleistungsverkehr“ unterliegt ein „Dienstleistungserbringer einzig den Rechtsvorschriften des Landes, in dem er niedergelassen ist“. Nach den bisherigen Gesetzesvorlagen haben Firmen die Möglichkeit, Briefkastenfirmen in jedem beliebigen Land der EU ohne Kontrollen und Auflagen zu eröffnen.

Die bisherige Richtlinienvorlage verwischt auch die Unterschiede zwischen öffentlichen bzw. gemeinwohlorientierten und privatwirtschaftlichen Dienstleistungen. Kommunale oder regionale Dienstleister wie Ver- und Entsorger, Wasser- und Klärwerke, Kindergärten, Krankenhäuser, öffentliche Schwimmbäder oder auch Volkshochschulen werden betroffen sein und in diesem Dumpingwettlauf einbezogen werden.

Mit „Freiem Dienstleistungsverkehr“ wird der Artikel 16 zum Herkunftslandprinzip überschrieben, der nur zum Schutz der öffentlichen Sicherheit, der Volksgesundheit und der Umwelt durch die Einhaltung nationalstaatlicher Bestimmungen eingeschränkt werden kann. Bisher ist nur klar, dass hoheitliche Aufgaben wie Militär, Polizei- und Gefängnisdienste außerhalb des Geltungsbereiches dieser Richtlinie bleiben. In allen anderen Fällen gelten die Gesetze des Landes, aus denen die Dienstleister kommen. Ja, Unternehmen werden geradezu eingeladen einen Firmensitz in ein Billiglohnland der EU zu verlagern und von hier aus ihre Dienstleistungen anzubieten, z.B. Krankenschwestern werden aus Polen vermittelt, Reinigungsarbeiten über eine Tochterfirma aus Litauen und Wachdienste über Vermittlungen aus Estland. Nach den bisherigen Vorlagen werden zukünftig alle Beschäftigten im Dienstleistungssektor nach dem im sogenannten Herkunftsland geltenden Tarifen bezahlt. Letztendlich werden dort dann auch bei Streitigkeiten die Gerichtsstände sein.

Wir rufen zu einer intensiven Auseinandersetzung und zum Boykott der Bölkestein-Richtlinie auf und hoffen, dass das EP sie ablehnen wird. Gegen den Maastrichter Vertrag hatte der damalige Freiburger Europaabgeordnete Wilfried Telkämper wegen der Einschränkung der Kompetenzkompetenz eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht mit dem Ziel entschiedener Demokratisierung der EU eingereicht. Er wurde in Karlsruhe gehört und der Richterspruch wirkte auf die weitere Vertragsgestaltungen ein.

Unverständlich ist, dass nicht schon längst die Kommunen, der deutsche Städtetag, die Verbände, Handwerks- und Industriekammern oder Verbraucherschutzorganisationen aufschreien! Sogar die Verwaltung der Stadt Freiburg kann hier rechtlich aktiv werden.