Wahlprüfsteine von Aktion Bleiberecht

Im Rahmen der Bewegung „Für einen kommunalen Prozess gegen rassistische Diskriminierung“ führen wir von Mai bis Juli 2009 eine breit angelegte Umfrage in der Stadt Freiburg durch. Zunächst richten wir den Fragebogen an alle Kandidatinnen und Kandidaten für den Freiburger Gemeinderat.
Wir bitten Sie den Fragenbogen bis zum 27. Mai auszufüllen und an unten stehende Adresse zu schicken. Uns interessiert mehr ihre persönliche Meinung, weniger die Kommentierung der gesetzlichen Lage.


Frage 1: Bewegungsfreiheit

Ein Teil der Freiburger Bevölkerung, nämlich Flüchtlinge im Asylverfahren und Geduldete, dürfen ihren Landkreis ohne Sondergenehmigung nicht verlassen. Sie müssen vor fremden Angestellten / Beamten begründen, zu welchem Zweck - ob aus privaten, kulturellen, politischen, gewerkschaftlichen oder anderweitigen Gründen – sie Freiburg verlassen wollen. Oft wird für die Bearbeitung eine Gebühr erhoben. Verlassen die Flüchtlinge den Landkreis ohne Genehmigung, droht ihnen eine Geldstrafe, ein Strafverfahren oder sogar eine Gefängnisstrafe. Dies alles kann nachteilige Folgen bei weiteren Aufenthaltsverfahren haben. Flüchtlinge sind also in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt.
Wie beurteilen Sie diesen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit? Würden Sie für eine Änderung eintreten?

Antwort: Ich halte jede Einschränkung von Bewegungsfreiheit von Menschen für unerträglich. Also müsste nicht nur diese Beschränkung der Bewegungsfreiheit von Flüchtlingen unbedingt abgeschafft werden, sondern auch jede Beschränkung der Bewegungsfreiheit für Menschen an Grenzen. Dass es einen freien Warenhandel gibt, aber kein Recht uaf freie Bewegung für Menschen weltweit ist un erträglich. Natürlich setze ich mich mit aller Kraft für eine Änderung ein. 




Frage 2: Recht auf Wohnen

In Freiburg werden Menschen dazu gezwungen, auf einer Fläche von 4,5m² pro Person zu leben. Sie sind oft mehrere Jahre in Sammellagern untergebracht und dürfen nicht 'wohnen'. Der Zugang zum Wohnungsmarkt ist ihnen verboten. Auch wenn Sie die Möglichkeit hätten, bei Verwandten, Bekannten, Familienmitgliedern zu wohnen, wird dies nicht erlaubt. Obwohl allgemein und nachweisbar bekannt ist, dass eine längerfristige Unterbringung unter genannten Bedingungen zu folgenschweren Krankheiten führt, wird an dieser Praxis festgehalten. Das UN-Komitee für wirtschaftliche und soziale Rechte in Genf hat diesbezüglich die BRD zu einer Änderung aufgefordert.

Wie stehen Sie zu dieser Praxis und zur Verletzung grundlegender Rechte?

Antwort: Wohnen ist Menschenrecht. Das gilt logischerweise für alle. Damit gilt auch für alle das Recht auf menschenwürdiges Wohnen. Eine Unterscheidung zwischen Einheimischen und Flüchtlingen ist an diesem Punkt wie auch in allen anderen Bereichen absolut inakzeptabel. Ich bin ohne jegliche Einschränkung für eine gleichberechtigte, menschenwürdige und angemessene Wohnversorgung aller Menschen


Frage 3: Zugang zum Arbeitsmarkt

Flüchtlinge, die in der BRD einen Asylantrag gestellt haben, dürfen ein Jahr nicht arbeiten. Danach ist der Zugang zum Arbeitsmarkt durch verschiedene Regelungen sehr erschwert. Oft muss ein gefundener Arbeitsplatz an einen „Bevorrechtigten“ abgegeben werden. Auch die sechswöchige Wartefrist nach erfolgreicher Arbeitsplatzsuche führt oft nicht zum Erfolg. Oft sind es Billigjobs, bei denen die Bundesagentur für Arbeit zustimmt. Mit dem geringen Verdienst müssen die Flüchtlinge ihr Bett im Sammellager bezahlen (z.B. 150 Euro). Sie können auch gezwungen werden Geld für eine eventuelle Abschiebung anzusparen. Neben diesen erschwerten Bedingungen können sie noch zu allgemeiner gemeinnütziger Arbeit gezwungen werden, die mit 1 Euro pro Stunde bezahlt wird.

Wie beurteilen Sie diese arbeitsrechtlichen Sanktionen / Bestimmungen?
Welche Lösung würden Sie vorschlagen?

Antwort: .Alle Menschen, die in Freiburg wohnen, sollen hier wohnen dürfen und arbeiten dürfen, ohne jegliche Beschränkung. Ich bin für die Pflicht zur Zahlung von Tariflöhnen und für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Dies muss für alle Menschen gelten, ohne Ausnahme.


Frage 4: Sachleistungversorgung

1993 wurden die Asylsuchenden aus der Bundessozialhilfe ausgegrenzt. Erstmals in der neueren Geschichte wurden zwei Würden von Menschen definiert, obwohl die „Würde des Menschen unantastbar“ ist. Asylsuchende erhalten seitdem den „notwendigen Bedarf an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung....“ in Sachleistungen. Sie erhalten ca. 35 % abgesenkte Leistungen im Vergleich zur Sozialhilfe, deren Beträge seit 1993 nicht mehr erhöht wurden. Bis zum 14. Lebensjahr bekommen sie 20,45 Euro, danach 40,90 Euro. Das entspricht 1,36 Euro Bargeld am Tag. Davon müssen alle persönlichen Ausgaben, wie Telefon, öffentlicher Nahverkehr, Anwaltskosten, Dolmetscher bezahlt werden. Hinzu wird behördlicherseits bestimmt, was gekauft werden darf.

Wie ist ihre Meinung zu dieser Spaltung im Sozialsystem und der Absenkung der Sozialleistungen?

Antwort: Siehe oben. Eine Ungleichbehandlung von Einheimischen und Flüchtlingen/AsylbewerberInnen ist inakzeptabel. Die Sachleistungsversorgung muss abgeschafft werden, eine Angleichung an die Sozialhilfe umgehend herzustellen. Dazu müssen natürlich die Arbeitsbeschränkungen aufgehoben werden.



Frage 5: Bildung

Im August 2008 hat der UN-Ausschuss zur Beseitigung rassistischer Diskriminierung (CERD) gerügt, dass in BaWü nicht alle Kinder von Asylsuchenden und Geduldeten in die Schule gingen. Erst am 22. November 2008, drei Jahre zu spät, hat BaWü eine EU-Richtlinie umgesetzt und damit die Schulpflicht eingeführt. Damit können sie auch eine weiterbildende Schule besuchen. Studium, betriebliche Ausbildungen, Weiterbildung etc. sind nach geltender Rechtslage nach wie vor sehr erschwert und ohne finanzielle Eigenmittel kaum möglich. Nicht einmal ein Sprachkurs kann mit den 40 Euro Bargeld bezahlt werden.

Obwohl internationales Recht, dem die BRD verpflichtet ist, den Zugang zur Bildung für alle fordert, wird Gegenteiliges getan. Wie beurteilen Sie persönlich diese diskriminierende Praxis?


Antwort: Zugang zu Bildung, und zwar zu guter, und qualifizierter Bildung ist ein zentrales menschliches Grundrecht. Da darf es keinerlei Einschränkungen geben. Kostenloser Hort- KiTa- und Schulbesuch muss selbstverständlich sein- für alle Menschen. Für Flüchtlinge und andere Menschen, die nicht Deutsch als Muttersprache sprechen muss es kostenlose Sprachförderungen geben. Es muss aber auch dafür gesorgt werden, dass alle Kinder (jedweder herkunft, Einheimische wie Zugezogene wie Flüchtlinge) eine gute sprachliche Förderung in ihrer Muttersprache bekommen.



Frage 6: Medizinische Versorgung

Das 1993 eingeführte Asylbewerberleistungsgesetz beschränkt die medizinische Versorgung auf die Behandlung von „akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen“. Zahnersatz wird nur gewährt, soweit dies aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist. Einen Anspruch auf eine bestmögliche Versorgung gibt es nicht. Für die Behandlung von chronischen Erkrankungen besteht abgesehen von der Schmerzbehandlung kein Leistungsanspruch. In der Vergangenheit wurden z.B. notwendige Nierenoperationen verweigert, Kinder bekamen keine Hörgeräte.

Diese Einschränkungen existieren für keine andere Gruppe in der Bundesrepublik Deutschland.
Wie beurteilen Sie persönlich diesen ausgrenzenden Umgang mit Menschen?

Antwort: Siehe oben. Ich verabscheue jegliche Ungleichbehanlung und Ausgrenzung und lehne natürlich auch die die medizinische Betreuung betreffende strikt ab.


Frage 7: Abschiebegefängnisse

Ebenfalls seit 1993 gibt es spezielle Abschiebegefängnisse in der BRD. Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, werden in Abschiebehaft genommen. In der BRD Asyl zu erhalten ist kaum noch möglich. Die Asylanerkennungen liegen im dreistelligen Zahlenbereich pro Jahr. Die Abschiebehaft kann ohne strafrechtliche Verurteilung angeordnet werden und gilt nicht als Strafhaft. Trotzdem unterliegen die Inhaftierten Sonderhaftbedingungen (Keine Umschlusszeiten, eine Stunde Hofgang pro Tag etc.) Schon allein der subjektive Verdacht der Ausländerbehörde, eine Person könnte sich der Abschiebung entziehen, reicht für die Haft aus. Die Dauer der Haft kann bis zu 18 Monaten verhängt werden.

Flucht und Wanderung werden kriminalisiert. Sprechen Sie sich für die Abschaffung der Abschiebegefängnisse aus oder befürworten Sie diese Einrichtungen?

Antwort: Ich spreche mich nicht nur für die Abschaffung der Abschiebegefängnisse aus, sondern für die Abschaffung der Abschiebungen überhaupt. Jeder Mensch soll das Recht haben, sich frei zu bewegen – weltweit. Und jeder Mensch soll das Recht haben, sich niederzulassen und zu wohnen, wo er /sie will – weltweit und ohne jede Einschränkung.
Positiver Nebeneffekt einer solchen Regelung wäre vermutlich, dass die reichen Länder vermutlich ernsthaft anfangen würden, etwas gegen den Hunger auf der Welt zu unternehmen und für eine gerechtere und ausgeglichener Weltwirtschaftsordnung. 


Frage 8: Wahlrecht

In Deutschland genießen Mitmenschen, die keine deutsche oder die EU-Staatsbürgerschaft besitzen kein Kommunalwahlrecht. In Freiburg leben über 13.500 dieser Menschen die im Durchschnitt bereits länger als 17 Jahre in der Stadt sind – unter ihnen auch Personen die Asyl genießen oder „Langzeit-Geduldete“. Ihr Lebensmittelpunkt ist hier und ihr Leben wird von den kommunalen Entscheidungen mitbestimmt. In 17 der 27 EU-Staaten ist das kommunale Wahlrecht deshalb schon Praxis. Kommunalpolitiker-innen können diese deutschen Bestimmungen zum Wahlrecht nicht ändern, trotzdem würden wir Sie gerne fragen:

Wie stehen Sie zu einem kommunalen Wahlrecht (in Deutschland) für Menschen ohne deutsche oder europäische Staatsbürgerschaft?

Antwort: .Ich bin nicht für ein KOMMUNALES Wahlrecht für Menschen ohne deutsche oder europäische Staatsbürgerschaft, sodnern für die Einmführung eines wirklichen ALLGEMEINEN Wahlrechts. Also alle Menschen sollten dort, wo sie leben (in der Regel gilt eine sinnvolle 3-Monats-Frist-Regelung für Zuzüge) auch wählen dürfen – und zwar bei allen Wahlen. 


Frage 9: Kommunaler Prozess

Wie stehen Sie einer kommunalen Bewegung gegen rassistische Diskriminierung gegenüber, die diese Ungleichheiten verändern möchte? Welchen kommunalen Beitrag könnten Sie sich als Kommunalpolitikerin / Kommunalpolitiker vorstellen?

Antwort: Bewegungen sind dann erfolgreich, wenn sie von unten entstehen, wenn sie von den Betroffenen getragen werden. Mich würde eine solche Bewegung sehr freuen (als Mensch, der in Freiburg geboren wurde, aber bis zum 38. Lebensjahr keinen Deutschen Pass hatte, ganz besonders). In allen Bereichen, in denen es Handlungs- und Auslegungsspielräume für die Kommune gibt, sollten diese genutzt werden im Sinne von Freizügigkeit und Gleichbehandlung (z.B. bei Sachleistungen, Bewegungsfreiheit), dies gilt insbesondere auch beim Umgang der behörden mit Flüchtlingen, die teilweise skandalös ist.Hier müssen Schulungen her und der menschenwürdige Umgang mit Flüchtlingen (wie auch mit anderen besonders hilfebedürftigen Menschengruppen) muss ein Auswahlkriterium bei der Stellenbesetzung sein, nicht Paragraphentreue. Besonders wichtig scheint mir aber eine ideelle Unterstützung seitens der Stadt zu sein, ein Zeichen zu setzen, dass die Stadt sich für Freizügigkeit und Gleichbehandlung wirklich einsetzt, eine materielle Förderung und/oder eine Mitgliedschaft der Stadt Freiburg in Vereinen und Organisationen, die sich für die Belange der Flüchtlinge einsetzen, könnte so ein Zeichen sein Hierfür werde ich mich auch weiterhin mit aller Kraft einsetzen.


Bitte schicken Sie die Antworten zum Fragebogen an:
Aktion Bleiberecht, minirasthaus, Adlerstr. 12, 79098 Freiburg

Sie können den Fragebogen auch online beantworten und diesen dann an info@aktionbleiberecht schicken.

Den Fragebogen können sie unter:

www.aktionbleiberecht.de/kommunaler_prozess/ 

herunterladen.

gez. Plenum Kommunaler Prozess gegen rassistische Diskriminierung